Dr. Klaus Dede
1. Juni 1935 - 5. Mai 2018
-1535-1555- |
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1534, 17. 6. | Lehe: Der Ort erhält eine neue Kirchenordnung nach bremischem Muster. Der erste evangelische Pfarrer ist Nikolaus Bohlsen. |
1535-1545 | Walle: Bau der Kirche in Walle. Sie erhält erst 1658 einen Turm. 1726 neues Kirchenschiff, das im Sommer 1942 durch Bomben zerstört wurde. Nach der Befreiung erfolgte der Wiederaufbau. Neue Einweihung am 7. August 1952. 1960 Anbau eines kleinen Chors |
1535 | Neuende: Der Müller Johann Müller erwirbt die Bockwindmühle von Östringfelde und stellte sie auf dem Schardeich auf, wo sie in den nächsten Jahrhunderten zum Wahrzeichen des Ortes wird. Im Jahre 1913 wird daneben eine Motorwühle eingerichtet, aber das alte Bauwerk bleibt stehen und wird 1934 sogar unter Denkmalsschutz gestellt, dann aber 1951 abgebrochen. Das Holz findet bei dem Bau der Orgel in der Kirche von Bant Verwendung. |
1535 | Hooksiel: Das Siel wird für die folgenden Jahrhunderte der Hafen von Jever. Ein Schiff aus Hamburg löscht "up den Hoeke" eine Ladung Bier. Der Name "uppe dem Hoecke" taucht zum ersten Mal im Jahre 1479 auf. Um diese Zeit wird der Ort zum Hafen Jevers, nachdem die bisherigen Zufahrten von der Harlebucht und von der Jade verschlammt waren. Im Jahre 1586 wird ein 1,5 Kilometer langer Kanal fertig, das "lange Rieck" - das jetzt die Verbindung zur Schlachte von Jever herstellt. Im Jahre 1588 wird die offene Schleuse, die bis dahin bestand, ersetzt durch einen Tunnel, der durch den Deich führte, so dass die Schiffe von nun an nicht mehr bis Jever fahren konnten. Man musste, wie andernorts auch, die Ladung im Außensiel löschen und dann über den Deich fahren, wo sie dann im Binnensiel auf flache Boote verladen wurde, die sie dann nach Jever brachten. Da das Siel aus Holz war, musste es mehrfach erneuert werden. Erst 1885 baute man ein Steinsiel, das entbehrlich wurde, als 1972 der Voslapper Groden aufgespült wurde. |
1536-38 | Bremen. Die Elterleute, die nach dem Sturz der "Hundertvier" wieder ihre alten Befugnisse als Ansprechpartner des Rates wahrnehmen, errichten sich mit dem Schütting am Markt, gegenüber dem Rathaus, eine repräsentatives Domizil, das zweite übrigens, denn der erste Schütting befand an der Langenstraße/Ecke Hakenstraße. Der Neubau wurde von Johannes von Buschener aus Antwerpen errichtet. Im Jahre 1594 erhielt das Haus seinen prächtigen Renaissancegiebel, das schließlich in den Jahren 1913-1915 durch einen Anbau erweitert wurde. Am 6. Oktober 1944 brannte der Schütting nach einem Bombenangriff aus, wurde aber äußerlich unverändert bis zum Jahre 1956 wieder aufgebaut. |
1536 | Hude. Franz von Waldeck, Bischof von Münster verwüstet das Kloster Hude. Der Bischof, so schreibt Lasius, war kriegerisch gesinnt, der Reformation nicht abgeneigt und Feind aller Mönche. Die Klosterkirche selbst wurde erst 1538 zerstört und diente danach als Steinbruch. |
1536 | Jever. Auf Befehl der Regentin wird der Ort, der damals etwa 1000 Einwohner zählte, mit einem Wall umgeben, vor dem sich ein Graben befindet. Drei Tore gestatten die Verbindung mit der Außenwelt. Man nimmt an, dass Jever auch in diesem Zusammenhang die Stadtrechte erhielt. Die entsprechende Urkunde datiert jedoch erst vom 22. 3. 1572. Vermutlich wurden in diesem Jahr auch die Befestigungsarbeiten abgeschlossen. Der Wall wurde von 1845 bis 1848 wieder abgetragen, weil er längst seine militärische Funktion eingebüßt hatte und jetzt nur noch die Entwicklung Jevers behinderte. |
1538, 8. 7. | Dedesdorf:. Truppen des Bischofs von Münster, Franz von Waldeck, plündern Landwührden. |
1538 | Berne: Truppen des Bischofs von Münster, die die Grafschaft Oldenburg besetzt haben, brennen Berne nieder. |
1538 | Delmenhorst. Graf Christoph von Oldenburg fällt in die damals münstersche Herrschaft Delmenhorst ein. Er verbündet sich mit dem Herzog Wilhelm von Braunschweig und Graf Otto von Tecklenburg. Eine gnadenlose Soldateska brennt Hasbergen nieder und fällt nach Stedingen ein. Am 20. Juni erscheint der Bischof von Münster mit seinen Truppen, die nun ihrerseits das Land sengen und brennen. Am 30. Juni 1538 schließen die Parteien in Wildeshausen einen Waffenstillstand. Es bleibt alles beim alten: Delmenhorst bleibt bei Münster. |
1538 | Esens: Junker Balthasar von Esens wird mit der Reichsacht belegt, weil er allzu dreist den Seeraub betrieben hat. Die Stadt Bremen übernimmt die Exekution, was zu seinem Ende führt. |
1539 | Bremen: Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig, seit 1536 "Konservator, Exekutor und Schirmherr der Stifter Bremen und Verden", versammelt im April vor Bremen Landsknechte, offenbar in der Absicht, die Stadt zu überrumpeln, was aber nicht gelingt. Vertreter des Evangelischen Bundes können die Söldner, die schlecht bezahlt waren, auf ihre Seite ziehen und so die Gefahr abwenden. |
1539 | Blexen: Eindeichung des Blexer Sandes. Damit wurde 630 Jück Land gewonnen (rund 315 Hektar) |
1539 | Esens: Nach dem Tode Karls von Geldern im Jahre 1538 ruft Junker Balthasar die Pfarrer augsburgischerr Konfession wieder ins Land. Erste Kirchenvisitation. Das Harlinger Land wird wieder lutherisch und bleibt es von nun an. |
1539 | Berne. Sturmflut. An der Grenze zwischen den Kirchspielen Berne und Warfleth entsteht durch einen Deichbruch eine Brake. |
1539 | Esens. Balthasar von Esens beginnt erneut einen Seekrieg gegen Bremen. Die Hansestadt verbündet sich daraufhin mit Jever. Balthasar antwortet mit einem Angriff auf Jever, der aber scheitert. Im Juli 1540 landet eine bremische Armee im Harlinger Land. Esens wird belagert und seit dem 9. Oktober 1540 beschossen mit der Folge, dass die Stadt niederbrennt. Während dieser Kämpfe stirbt Balthasar am 17. Oktober 1540. Damit endet die einheimische Dynastie der Attena. Nachfolger wird Graf Johann v. Rietberg. |
-1540- |
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1540, 12. 11. | Jever: Boynck von Oldersum wird in Kämpfen vor Wittmund so schwer verwundet, dass er einige Tage später stirbt. |
1540 | Hohenkirchen: Dirick Grolle, Feldhauptmann des Junkers Balthasar von Esens, zerstört das Inventar der Gaukirche von Hohenkirchen, darunter auch die Orgel. |
1540, 1. 12. | Esens:
Friedensvertrag zwischen dem neuen Herrn in Esens, Graf Johann von
Rietberg (als
Ehemann einer Tochter des Junkers Balthasar) und Bremen.
Harlingen wird
Lehen der Hansestadt. Der Nexus hält aber nicht lange, denn
er wird 1547 wieder gelöst. Stattdessen wird das
Lehensverhältnis Harlingens zum
Herzog von Geldern wieder hergestellt. Da der Nachfolger Karls von
Geldern aber
Kaiser Karl V. war,
gehört Harlingen nunmehr
zum Herrschaftsbereich der Habsburger und
ist damit für die Grafen von Ostfriesland unerreichbar.
Die Gräfin-Witwe, Onna, heiratet Graf Otto III. von
Rietberg. Der gemeinsame Sohn, Graf Johann von Rietberg, tritt die
Nachfolge an, erweist sich indessen als unfähig. Er gerät
1557 in die Reichsacht, wird gefangen genommen und stirbt 1562 in
Köln in geistiger Umnachtung. Auch er hinterlässt nur
Töchter als Erbinnen, von denen eine Rietberg, die andere
Harlingen erhalten
soll. Die Erbin von Harlingen heiratet
1581 Graf Enno III. von Ostfriesland, der 1582 die Regierung in
Esens übernimmt.
Seine Frau stirbt jedoch 1586 und hinterlässt zwei Töchter,
denen nunmehr Harlingen gehört.
Diese Situation führt zum Berumer Vergleich,
in dem Enno III. Harlingen
für sich erwirbt und die beiden Töchter finanziell
abfindet. Damit endet die Selbständigkeit des Ländchens.
Mit diesem Vertrag sind die Verhältnisse westlich der
Jade geklärt: Wittmund und Stedesdorf sind Teile Ostfrieslands, Esens bleibt noch einige Jahrzehnte selbständig und fällt dann an die Grafen von Ostfriesland, es bleibt aber die innere Autonomie erhalten, der erst Friedrich der Große im Jahre 1744 ein Ende bereitet; Jever behält ebenfalls unter der Regentschaft von Fräulein Maria die Autonomie, fällt dann aber an die Grafen von Oldenburg. Riemann urteilt: "Die verheerenden Eroberungsfeldzüge aber, die früher so unsagbaren Schaden über das Land und seine Bewohner gebracht hatten, nahmen ein Ende: es begann mit dem Jahre 1540 für die friesischen Küstenlande so recht eigentlich die Kulturperiode der Neuzeit. Die Fräulein Maria bisher so viel Unruhe bereitet hatten, waren der Erde entrückt und die nunmehrigen Nachbarn hatten so viel Ursache, ihre Sorge den eigenen Angelegenheiten zuzuwenden, als dass sie an Feindseligkeiten gegen sie hätten denken können. (Riemann: Geschichte des Jeverlandes, 2. Bd. S. 200) Mit dem Jahr 1540 beginnt die eigentliche Regentschaft des Fräuleins Marias. Bis dahin war sie vor allem die Braut Boynks von Oldersums gewesen, den sie, wenn er am Leben geblieben wäre, sicherlich geheiratet hätte mit der Folge, dass er damit Landesherr geworden wäre. Sie wäre dann als Ehefrau in seinem Schatten verschwunden. Nun lebte der Verlobte nicht mehr und so übernahm Maria die Regierung, die sie auch tatkräftig in die Hand nahm. Ihre Leistungen waren in dieser Hinsicht enorm, denn sie setzte - anders als die Cirksena in Ostfriesland - in ihrem Ländchen den fürstlichen Absolutismus durch. Riemann schreibt dazu: "Die landesherrlichen Rechte, welche sie gleich ihren fürstlichen Nachbarn sich über das Jeverland anmaßte, hatten ihre Vorfahren vormals nicht besessen. Wie die Cirksena in den Emslanden und die anderen Häuptlingsgeschlechter aus einer Dorfdynastenfamilie hervorgegangen, hatte den ersten Häuptlingen aus dem Geschlechte der Papinga nur die Schutzherrschaft des Landes zugestanden und dazu die Gerichtsbarkeit über die Landeseingesessenen, die in den Häuptlingen keineswegs ihre Landesherren sagen, sondern nur ihre beliebten oder unbeliebten Anführer im Kriege, die sie nach eigenem Rechte angefangen hatten oder abwehrten, sowie die Vögte, denen der Gerichtsbann zustand. (Riemann: Geschichte des Jeverlandes, 2. Bd., S. 202). Nun hatte sich bereits Edo Wiemken d. J., wie bereits gesagt, als Landesherr gesehen, aber es blieb Maria vorbehalten, diesen Anspruch vollends durchzusetzen. Dabei kam ihr sicherlich zustatten, dass ihr die Reformation die Gelegenheit bot, die Kirchen auszuplündern, wodurch sie das Kapital in die Hand bekam, das sie für ihre Politik benötigte. Hinzu kam, dass sie sich auf ihren Kanzler Remmer von Seediek verlassen konnte, ein, wie wir sagen würden, Manager der Macht, der mit der nötigen Behutsamkeit zu Werke ging. Das war sicherlich auch deshalb notwendig, weil die Opposition sehr stark war. Garlich von Tenghausen, Ricklef von Fischhausen, Ommo von Middoge und Ricklef von Roffhausen verfügten nicht nur über einen beachtlichen Grundbesitz, sondern waren sicherlich auch gerne bereit, auswärtige Hilfe, sei es der Ostfriesen, sei es der Oldenburger ins Land zu rufen, aber es gelingt Maria, sie alle zu überwinden: Tengshausen wird geschleift, Fischhausen zu einem jeverschen Lehen degradiert ebenso Middoge und Roffhausen schließlich ganz eingezogen. Maria von Jever trug also über die "Eingesessenen des Landes" den Sieg davon. Was aber bei alledem die Größe (man verzeihe mir dieses Wort angesichts des winzigen Ländchens, von dem hier die Rede ist) der Regentin Maria ausmacht, drückt Riemann so aus: "Jedoch nur die Beschränkung der Macht des aufsässigen Adels, nicht seine Verdrängung lag in der Absicht Marias, denn sie verkannte seine Bedeutung für die Erhöhung ihres eigenen Ansehens keineswegs. Darum zog sie hernach selbst auswärtige Adlige in ihren Dienst, ließ ihrer Ansiedlung bei Ankauf bäuerlichen Grundbesitzes alle Förderung angedeihen und gewährte diesem Besitz, natürlich als Lehnsgut der Herrschaft gern adlige Freiheit. Während so die alten Häuptlingsfamilien ausstarben und ihre Güter im Laufe der Jahre in bäuerlichen Besitz übergingen, wurde im Jeverland ein neuer, landfremder Adel ansässig, die von Drebbern, von Schagen, von Kalckstein, von Böselager u.a.m., die, vielfach gar nicht im Lande wohnend, ihren Grundbesitz durch Meier bewirtschaften ließen und herrschaftlichen Rechten in keiner Weise entgegenzutreten geneigt und befähigt waren." (Riemann: Geschichte des Jeverlands, Bd. 2, S. 211) Auf diese Weise schwächte Maria auch die Meente Meene, denn: "Da sie für öffentliche Zwecke keine Abgaben leisteten, stand den Besitzern adlig freier Güter bei Beratung allgemeiner Landesangelegenheiten kein Stimmrecht zu, in späterer Zeit waren sie darum auch nicht vertreten in den Landesdeputationen." (Riemann: Geschichte des Jeverlandes, Bd. 2. S. 211) |
1541 | Bremen: Die Stadt erhält durch kaiserliches Privileg das Münzrecht. Außerdem bestätigt Karl V. alle übrigen Rechte, die Bremen bislang erhalten hat. Schließlich verbietet er die Sperrung der Weser für den Schiffsverkehr und erlaubt der Stadt Bremen, in dem Strom, Seezeichen auszulegen. |
1541 | Stedingen. Die Lechterseite wird oldenburgisch. |
1541-1568 | Jever: Im Jeverland finden in dieser Zeit sieben Prozesse wegen Hexerei statt, wobei jedes Mal mehrere Personen betroffen waren, die, bis auf eine Ausnahme, allesamt zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Einzelheiten teilt Riemann nicht mit. (cf. Riemann: Geschichte des Jeverlandes, Bd, 2. S. 211) |
1542 | Jever: Eindeichung der Groden vor Pakens, St. Joost, Wiarden und Schillig |
1542 | Jever: Im Land herrscht Dürre. Ich vermerke hier diese Katastrophe, um deutlich zu machen, wie sehr die Entwicklung auch der Marsch von Zufällen abhing: Mal war es der Regen, mal die Sonne, die die Ernte verdarb, dann fraßen die Mäuse die Wiesen kahl, dann erlagen die Rinder einer unbekannten Seuche, endlich erlitten die Menschen ein ähnliches Schicksal - wenn man die Berichte liest, kam es selten vor, dass in einem Jahr keine Katastrophe eintrat. Und dann die Kriege, die bis 1540 das Land immer wieder verheerten - wie müssen die Menschen aufgeatmet haben, als wenigstens die seltener wurden! |
1542, 1. 1. | Jever: Neujahrsflut |
1542 | Horumersiel. Bau des Siels. Es wurde 1625 durch die Fastnachtsflut zerstört, dann 1635 wieder aufgebaut. Weitere Neubauten: 1712 und 1806. Im Jahre 1871 entstand an dieser Stelle das erste Steinsiel des Jeverlandes. Seit 1965 durch das Wangersiel ersetzt. |
1542 | Jever. Das 1. Hohenstiefer Siel wird gelegt. Es löst das St. Jooster Siel ab. Das 2. Hohentiefer Siel entsteht 1599/1600. Der letzte Neubau datiert von 1890. |
1545 | Bremen. In der Hansestadt findet die erste "Schaffermahlzeit"statt. Sie wurde von einer Kasse ausgerichtet, die arme Seeleute unterstützte und zwar jeweils vor der ersten Ausfahrt der Schiffe nach der Winterpause, also vor dem 22. Februar eines Jahres. 1561 kauft die Kasse ein eigenes Haus, das "Haus Seefahrt". Die vier "Schaffer", die das Vermögen verwalteten, hatten die dankbare Aufgabe, eben diese "Schaffermahlzeit"zu finanzieren. Seit 1663 besaß das "Haus Seefahrt"ein Haus an der Hutfilterstraße, das 1874 durch ein neues Haus an der Lützowstraße ersetzt wurde. Diese Bleibe fiel im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer. Das "Haus Seefahrt" hat jetzt seinen Sitz in Grohn, die Schaffermahlzeit findet dagegen seit 1952 in der Oberen Rathaushalle statt. Als eine der höchsten Ehrungen der Freien und Hansestadt, ach was, als deren höchste Ehrung gilt es, als Auswärtiger zu diesem Schmaus eingeladen zu werden, was nur einmal im Leben geschehen darf. Die Speisefolge liegt seit ewigen Zeiten fest. |
1545 (1546?) | Hooksiel: Das Siel wird zum Hafen von Jever. Er ist durch einen Kanal mit der Stadt verbunden, auf dem aber nur kleine Boote fahren können. |
1545 | Mederns: Medernser Altengroden (65 ha.). Die Harlebucht entstand vermutlich schon um 800 p. Chr., was man aber nur vermuten kann, weil urkundliche Nachrichten fehlen. Um 1400 begann die Verlandung der Bucht, die dann die schrittweise Eindeichung der Fläche bis zur heutigen Deichlinie erlaubte. |
1545 | Jever: Im Land herrscht Dürre. |
1545 | Berdum: Das Berdumer Siel wird gelegt. Es wird 1589 durch das neue Berdumer Siel ersetzt. |
1546 | Dedesdorf: Sturmflut. Renners Chronik: "desse tid, als de weser jo lang jo mehr inbrak. In Oisterstade, ward dat dorp Ellingenwarve, twischen Rechtenflethe und Desdorpe belegen, tonicht ..."Gemeint ist vermutlich Aligwerfen (zwischen Dedesdorf und Rechtenfleth), das in dieser Zeit ausgedeicht wurde. |
1546 | Jever: Bastei im Südwesten der Burg. |
1546 | Kniphausen: Der Hovetling von Knip- und Innhausen, Tido, heiratet Eva von Rennenberg, die dem reformierten Glauben angehört. Seither gerät die Herrschaft unter calvinistischen Einfluß, was sicherlich auch politische Gründe hatte: Da das Jeverland lutherisch war, bedeutete der calvinistische Glaube in den drei Kniphauser Kirchspielen eine zusätzliche Sicherung für deren Eigenständigkeit, die denn ja auch bis 1854 bis zu einem gewissen Grade erhalten blieb. |
1547, 19. 2. | Bremen: Im Schmalkaldischen Krieg steht die Stadt Bremen auf der Seite der Protestanten. Am 19. Februar 1547 erscheint ein kaiserliches Heer unter Jobst von Cruningen vor der Stadt und plündert das Hollerland und das Werderland aus. Die Truppen lagern zwischen Walle und Burg, können aber die Stadt nicht einschließen und auch die Festungswerke nicht angreifen, weil ihnen die Artillerie fehlt. Der Versuch der Kaiserlichen, am 6. März 1547 die Weser durch eine Brücke zu sperren, wird von den Bremern verhindert, aber der bremische Handel wird schwer geschädigt. Die Bremer bauen unterdessen emsig an ihren Festungsanlagen und beschäftigen die Kaiserlichen durch zahlreiche Ausfälle, während es diesen gelingt, Artillerie heranzuziehen. Am 27. März 1547 beginnt von Walle her die Beschießung der Stadt, aber in der Nacht vom 30. zum 31. März 1547 unternehmen die Bremer einen Ausfall auf die Schanze bei Gröpelingen und nehmen sieben Kanonen weg, vor allem aber wird Jobst von Cruningen getötet. Daraufhin ziehen die Kaiserlichen, die ohnehin schlecht besoldet und versorgt waren, über die Lesum ab und richten sich im Raum Ottersberg und Zeven ein. Die Bremer nehmen daraufhin im Gegenstoß die Burgen Hagen und Stotel. Als Folge dieser Ereignisse ernennt Graf Christopher von Oldenburg als Senior des Domkapites von Bremen seinen Feldkaplan Albert Rizäus Hardenberg zum ersten evangelischen Prediger am St. Petri-Dom. |
1547 | Horn. Im Lauf der Kampfhandlungen wird die Kirche in Horn zerstört. |
1547, 2. 4. | Delmenhorst: Graf Anton, der sich auf die Seite der Kaiserlichen geschlagen hatte, nimmt die bis dahin münstersche Burg Delmenhorst im Handstreich. Am nächsten Tag besetzt er Harpstedt und Stedingen. Die Grafschaft Oldenburg ist in ihrem alten Umfang wieder hergestellt. |
1547, 10. 4. | Bremen: Die Gefahr ist noch nicht vorüber. Herzog Erich von Braun-schweig-Calenberg bildet ein zweites Heer und fordert Bremen zur Übergabe auf. Die Stadt lehnt ab, aber nun rücken beide Befehlshaber, der Oberst von Wrisberg und Herzog Erich von Braunschweig-Calenberg vor die Stadt und beginnen am 19. April 1547 erneut mit der Belagerung, allerdings sammelt sich jetzt ein Entatzheer unter dem Kommando des Grafen Albrecht von Mansfeld und des Grafen Christoph von Oldenburg. Diese Truppe wird noch von einer Einheit verstärkt, die bei der Schlacht bei Mühlberg, in der Kaiser Karl V. am 2. April 1547 die protestantischen Stände besiegt hatte, übrig geblieben war. Nun war die protestantische Armee in etwa so stark wie diejenige der Kaiserlichen. Sie fiel zunächst in das Land des Herzogs Erich von Braunschweig-Calenberg ein, was die üblichen grausamen Folgen hatte, und im Übrigen den Herzog Erich veranlasste, die Stadt Bremen zu verlassen. Wrißberg folgte ihm, blieb aber zurück. Herzog Erich eilte weiter und traf am 23. Mai 1547 bei Drakenburg auf die beiden evangelischen Generäle. Die Schlacht ging für Herzog Erich gründlich verloren, was den Oberst v. Wrißberg veranlasste, dessen Kriegskasse zu klauen und sich mit seinen Leuten dann in die Niederlande davon zu machen, wobei er allerdings durch bremische Soldaten gestört wurde, die bei Bassum 500 Gefangene machten. Am 18. Mai 1547 luden die siegreichen Truppen an der Schlachte in Bremen 18 eroberte Kanonen aus. Der Sieg wurde am 29. Mai 1547 im Schütting ausgiebig gefeiert. |
1547 | Jever: St. Gallus-Flut |
1548 | Lehe: Christian Empkes ist an einer Schule tätig, die zur Heilig-Kreuz-Kapelle gehört. Tatsächlich hat es in Lehe bereits im Mittelalter eine Schule gegeben. Das Gebäude befand sich an der Südseite des Friedhofs bei der Dionysioskirche und beherbergte um 1600 eine Lateinschule. (Das Unterrichtswesen war im Mittelalter dank der Klöster relativ hoch entwickelt, wurde jedoch mit diesen vernichtet. Es musste danach erst wieder aufgebaut werden, was etwa ein Jahrhundert dauerte.) |
1548 | Jever: Remmer von Seediek arbeitet für das Jeverland eine lutherische Kirchenordnung aus, die 1562 in Wittenberg gedruckt wird. |
1548, Mai | Jever: Nach der Niederlage der protestantischen Reichsstände im Schmalkaldischen Krieg setzte Kaiser Karl V. auf einem Reichstag in Augsburg das sog. "Interim" durch, in dem er die Einheit der Kirche wieder herstellte, wobei den Evangelischen nur die Priesterehe und der Laienkelch zugestanden wurden und auch das nur vorbehaltlich der Beschlüsse des ökumenischen Konzils, das sich demnächst in Trient versammeln sollte. Dem setzte Melanchthon im Dezember das Leipziger Interim entgegen, das besonders in der Rechtfertigungslehre protestantische Positionen behauptete, aber in den Zeremonien und anderen "Adiaphora" (Belanglosigkeiten) den Katholiken entgegenkam. In dieser Situation erschienen in Jever kaiserliche Gesandte, die von Fräulein Maria die Annahme des Augsburger Interims verlangten. Die Herrin von Jever sagte das weder zu, noch lehnte sie das Ansinnen ab, sondern fragte zunächst ihre Pastoren, ob sie bereit seien, dem kaiserlichen Befehl zu folgen. Deren Situation schildert nun Riemann so: "Auf geistigem Gebiet beschränkten sich die Neuerungen, wie wir gesehen haben. zunächst auf die Abschaffung der Messe, die Einführung der deutschen Predigt und des Kirchengesangs, sowie die Austeilung des Abendmahls in zweierlei Gestalt. Jedoch traten die Veränderungen in den kirchlichen Zeremonien und eine zweckmäßigere Einrichtung des Gottesdienstes nur nach und nach ein. Lange Zeit handelte und wirkte jeder Prediger in dieser Hinsicht nach seinem besonderen Gutdünken, änderte und besserte, wie er es für gut fand und lehrte und predigte die neue Lehre nach dem individuellen Sinne, den er ihr beimaß. Nur den Lehren der Wiedertäufer und gleichgesinnter Sekten, die in dem Küstengebiet nicht nur in den niederen Ständen zahlreiche Anhänger fanden, traten die Geistlichen und Beamten mit Nachdruck entgegen." ( F. W. Riemann: Geschichte des Jeverlandes, 2. Band, S. 66-67) Um diese Zeit herrschte also beinahe das, was man im Jargon gerne als "evangelische Freiheit" bezeichnet, allerdings gab es Grenzen, die hier durch den Hinweis auf die "Wiedertäufer" bezeichnet werden. Damit sind die Sekten gemeint, die die Kindertaufe ablehnen, weil das Neue Testament eine solche nicht kennt. Hier wird vielmehr vorausgesetzt, dass der Mensch, der um die Taufe nachsucht, zunächst in den Lehren der christlichen Religion unterrichtet wird und dann bekundet, dass er sie für sich annimmt, was Säuglinge naturgemäß nicht leisten können. Die katholische und auch die evangelische Kirche begründen ihre Praxis, die dem Wortlaut der Heiligen Schrift entgegensteht, damit, dass nach eben dieser solche Menschen, die nicht getauft sind, nach dem Tode sofort in die Hölle fahren, woraus folgt, dass jeder Mensch, und das galt besonders in der Zeit der großen Säuglingssterblichkeit besonders für die Neugeborenen, sofort getauft werden musste, notfalls durch Irgendjemanden, der nur Wasser auf den Täufling spritzen und dabei eine einzige Formel sprechen musste, nämlich dass damit die taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen sei. So viel zur dogmatischen Begründung. Faktisch bedeutete die Kindertaufe, dass der Neugeborene für die Zukunft auf eine bestimmte Ideologie festgelegt wurde, auf die er durch die Taufe verpflichtet war. Es ging also darum, die Menschen einer geistigen Fremdbestimmung zu unterwerfen. Dass dies notwendig sei, um den Zusammenhalt einer Gesellschaft zu sichern, war die gemeinsame Überzeugung der Katholiken wie auch der Lutheraner und Calvinisten. Der Streit ging also darum, wie weit die ideologische Fremdbestimmung gehen dürfe und wie sichergestellt werden könne, dass auch ein jeder im rechten Glauben stünde. Darüber hinaus war man sich einig darin, dass die Obrigkeit bestimmen könne, was die Menschen glauben sollten, und dass dann, wenn die Herrschaft eine gewisse Toleranz walten ließ, in diesen Grenzen auch Freiheiten möglich waren, sofern das Prinzip der Fremdbestimmung in Glaubensangelegenheiten gewahrt blieb. Insofern gab es also im Jeverland nach der Vertreibung der altgläubigen Priester eine gewisse Glaubensfreiheit, die jedoch nicht prinzipiell begründet war, sondern ihre Ursache darin hatte, dass denjenigen, die das Land regierten, dogmatische Erwägungen fremd waren. Die Frage der Landesherrin, ob die jeverländischen Pastoren nun bereit seien, sich dem Augsburger Interim zu fügen, löste unter den etwa zwei Dutzend Pastoren eine lebhafte Diskus-sion aus, die, so Riemann, in den Quellen sehr gut dokumentiert ist, wobei sich herausstellte, dass nur eine Minderheit von drei geistlichen Herren bereit war, sich dem kaiserlichen Befehl zu beugen, die anderen formulierten ein Dokument, das Riemann als "confessio Jeveren-sis" bezeichnet und das sich erhalten hat, wobei leider nicht vermerkt ist, wann sie geschrieben wurde und wer sie verfasst hat. Auf die theologische Argumentation kann hier nicht eingegangen werden, aber die Kommentierung Riemanns sei zitiert: "Diesem Glaubensbekenntnis der Kirchen Jeverlands ist wegen seiner abweichenden Lehrrichtung nach Einführung des reinen Luthertums durch den Grafen Johann von Oldenburg von den einheimischen Theologen nicht die gebührende, um nicht zu sagen, gar keine Beachtung beigelegt worden. Gleichwohl hat es seinen hohen, wenigstens historischen Wert, denn es bewahrt in klaren Worten die zur Zeit der Einführung der Reformation im Jeverland allgemein verbreitete Lehrmeinung, die aber nicht dem starren Luthertum, sondern der freien Auffassung Melanchthons entsprach." (Riemann: Geschichte des Jeverlandes, Band 2, S. 70). Der Gegensatz, den der Autor hier andeutet, wird uns auch auf diesen Seiten noch beschäftigen. Es handelt sich um die Kontroverse zwischen der lutherischen Orthodoxie auf der einen Seite und den Kryptocalvinisten, wie man damals sagte, auf der anderen. Inwieweit sich die ersteren zu Recht auf Luther und die letzteren aber auf Melanchthon berufen durften, sei hier dahin gestellt - beide Reformatoren argumentieren viel zu komplex, als dass sie für eine Partei in Anspruch genommen werden könnten - entscheidend ist, dass die Rechtgläubigen meinten, mit den Mitteln des Gewissenszwanges, der Kontrolle und des Terrors die Befreiung zu ihrer Seligkeit zwingen zu müssen, während die Liberalen, wie man später sagte, auf die Überzeugungskraft der christlichen Lehren setzten, also davon ausgingen, dass bei der richtigen Unterweisung schon der Glaube herauskomme, der dann die Rechtfertigung bewirke (und wenn das nicht der Fall sein sollte, war es auch nicht so schlimm, denn darauf kam es bald nicht mehr an). In der Diskussion über das Augsburger Interim zeigte sich, dass die Pastoren in der Regel die Orthodoxie, wenigstens in ihrer Praxis, ablehnten und dem Kryptocalvinismus, der dann zum theologischen Liberalismus, und damit schließlich zur Auflösung der lutherischen Theologie, führte, zuneigten, jedoch, wie hier schon angemerkt sei, jedoch nicht so sehr aus dogmatischen als aus sozialen Gründen - und das sei genug an dieser Stelle. |
-1550- |
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um 1550 | Bremen. In der Hansestadt werden die ersten Windmühlen gebaut. Bis dahin wurde Getreide entweder mit Tieren gemahlen, oder der Mensch zerrieb es mühsam mit der Hand. Zunächst gab es nur die sog. Bockwindmühlen. Zwischen 1551 und 1670 standen am Doventor und am Ansgaritor die beiden sog. Kaufmannsmühlen. Für 1574 ist die erste Bockwindmühle in der Neustadt dokumentiert. Ab 1730 werden nur noch Galerie-Holländer gebaut. |
um 1550 | Wangerooge: Die Inselbewohner werden gezwungen, das mittelalterliche Dorf aufzugeben, weil Flugsand die Weiden zudeckt. Sie siedeln auf einen Platz um, der später als "Westdorf" bezeichnet wird. |
1551 | Bremen: Die Mauer, die bis dahin die Oberstadt Bremens von der Stephani-Stadt trennt, wird abgebrochen. Nur der Fangturm bleibt zunächst stehen und wird erst im 17. Jahrhundert beseitigt. |
1551-1670 | Bremen. Auf dem Ansgari-Tor steht eine Windmühle, jedenfalls findet man sie in dieser Zeit in den Akten erwähnt. Wann sie gebaut wurde und wann man sie wieder abbrach, ist unbekannt. 1665 muss eine der beiden Mühlen, die auf dem Stephanitor standen, auf das Ansgari-Tor verlegt werden. Sie wurde um 1855 abgebrochen. |
1552 | Berne. Stedingen erhält ein neues Deichrecht, das diesmal von dem Grafen von Oldenburg erlassen, also nicht mehr vereinbart wird.. |
1552 | Varel. Graf Anton I. wird Herr in Varel. Er baut bis 1554 das Schloss zu seiner neuen Residenz aus. |
1553 | Bremen. Im Blockland bricht der Deich. Der Rat der Stadt verfügt, dass jeder Grundstückseigentümer ein Stück des Dammes reparieren muss. |
1553 | Jever: Im Rahmen der Stadtbefestigung wird das Burgtor errichtet. Es darf nur von der Herrschaft und deren Bediensteten benutzt werden. Es wird 1818 ab-gerissen. |
1553 | Jever: Ein Teil der Stadt brennt ab. |
1554 | Werdum. Hero von Werdum, verheiratet mit Teite von Roffhausen, zeigt angeblich "täuferische Neigungen (Woebcken). Die Wiedertäufer waren gerade in der unzugänglichen Marsch eine weit verbreitete religiöse Untergrundbewegung, deren Mitglieder (übrigens in Übereinstimmung mit dem Neuen Testament) die Säuglingstaufe ablehnten und aus diesem Grunde von allen Großkirchen, also den Katholiken, Lutheranern und Calvinisten, brutal verfolgt wurden. Es ging darum, dass in den Kirchen die Kinder in eine bestimmte Ideologie "hineingetauft" wurden, auch wenn sie von ihr noch gar nicht überzeugt sein konnten, während die Wiedertäufer das Selbstbestimmungsrecht des Menschen zumindest in Glaubensfragen vertraten. |
1554, 15. 9. | Bremen: Der Schmalkaldische Krieg findet jetzt auch rechtlich seinen Abschluss. Die Stadt verzichtet auf ihre Lehnshoheit über das Harlinger Land - alle übrigen Forderungen, die inzwischen erhoben wurden, lässt der Kaiser fallen. In Bremen bleibt also die evangelische Religion bestehen. Es wird auch keine Kriegsentschädigung fällig. Die Stadt verdankt diese Rücksichtnahme allerdings nicht der Großzügigkeit des Kaisers, sondern seiner Schwäche, die offenkundig wurde, als er vor dem Kurfürsten Moritz von Sachsen fliehen musste: dessen Verrat bewahrte nicht nur Bremen vor dem Augsburger Interim und damit vor der Rekatholisierung. |
1554 | Roffhausen. Die Burg wird engültig zerstört. |
1554 | Jever: Bau des Annentors. Das Torhaus selbst entstand 1562. 1768 erhielt der Bau eine Windmühle, die aber nie in Betrieb genommen und 1793 abgebrochen wurde. Das Tor selbst wurde 1806 beseitigt. |
1554 | Jever: Im Land herrscht Dürre. |
1554 | Jever: Am 1. April, 15. Mai und 17. Juli rennen Sturmfluten gegen die Deiche an. |
1555 - 1568 | Bremen: Hardenbergsche Unruhen. Die Streitigkeiten, die die Hansestadt 13 Jahre lang in Atem hielten, sind typisch für die Zeit nach Luther. So lange der Reformator lebte, hatte er in dogmatischen Fragen das letzte Wort, aber nach seinem Tode meldeten sich mehrere Theologen zu Wort, die meinten, die allein wahre Religion zu vertreten. Nun lässt sich ja die Wahrheit eines Glaubensdogmas nicht durch Experimente erweisen, wie das in den Naturwisenschaften der Fall ist, und Interpretationen führen auch nicht weiter, zumal die Textgrundlage, die Bibel nämlich, in sich widersprüchlich ist. Die Calvinisten lösten das Problem, indem sich die jeweiligen Gruppen jeweils trennten, aber dieser Weg war den Lutheranern verschlossen, weil sie Landeskirchen bildeten, also das jeweilige Dogma für alle Menschen innerhalb eines Territoriums verbindlich war. Damit verknüpften sich dogmatische Diskussionen mit sozialen Konflikten, und da darüber hinaus sich die Mächte nach ihren Bekenntnissen gruppierten, traten noch außenpolitische Verwicklungen hinzu. Dies alles zeigt sich auch in den Hardenbergschen Unruhen. Der Streit begann im Jahre 1555, als der Pfarrer Johann Timann von St. Martini ein Buch herausgab, in dem er die "Ubiquität" Christi vertrat. Hinter diesem Wort verbarg sich die Lehre, dass der Sohn Gottes, eben weil er auch Gott war, überall gegenwärtig sei, also auch im Abendmahl. Das war (und ist) der Kern der lutherischen Theologie, dem allerdings der Domprediger Albert Rizäus Hardenberg widersprach, der die calvinistische Ansicht vertrat, dass sich der Leib Christi im Himmel befindet und im Abendmahl nur durch den Glauben vergegenwärtigt wird. Diese beiden Dogmen ließen sich zwar nicht miteinander vereinbaren, hatten aber auf das tägliche Leben faktisch keine Auswirkungen, so dass man die Ansichten nebeneinander hätte bestehen lassen können, aber das war in dieser Zeit eben nicht möglich. Timann veranlasste also seine bremischen Kollegen, seiner These zuzustimmen, was alle, bis auf zwei, auch taten. Selbst das blieb noch ein Theologenstreit, aber nun fühlte sich der Rat angesprochen und zwar sicherlich nicht nur dadurch, dass Timann sein Buch dieser Institution gewidmet hatte, sondern vor allem deshalb, weil sich diejenigen, die an der Ratsoligarchie nicht beteiligt waren, auf die Seite des Dompredigers Hardenberg stellten, der als solcher nicht dem Rat unterstand, sondern dem Domkapitel. Damit war die Verfassungsfrage aufgeworfen, die Bremen schon einmal vor hundert Jahren zerrissen hatte. Dennoch hielt sich der Streit immer noch im Rahmen der Theologie. Zu Ostern 1556 veranstaltete der Rat eine Dispution zwischen Hardenberg, der als Domprediger damals, wie gesagt, nicht zur bremischen Kirche gehörte, und dem lutherischen Superintendenten Probst, die einigermaßen friedlich verlief, indes verschärfte sich der Streit danach, wobei der Rat vom Domkapitel verlangte, Hardenberg aus seinem Amt zu ent-lassen, was aber nicht geschah. Also ging der Streit weiter, wobei kaum noch jemand wusste, worum es eigentlich ging, zumal sich Hardenberg ausdrücklich zur Augsburgischen Konfession bekannte, also auch zur Ubiquität, und lediglich in Einzelpunkten Vorbehalte zu haben behauptete. Es fehlte auch nicht an Einmischungen von außen, zu denen der Rat im Übrigen selbst aufgefordert hatte, als er Ende 1556 in Wittenberg, Braunschweig, Magdeburg, Hamburg, Lübeck und Lüneburg Gutachten zu dem Streit anforderte. Die wurden auch abgeliefert und am 26. Januar 1557 im Rathaus vorgetragen, was natürlich niemanden befriedigte. Schließlich forderte König Christian III. von Dänemark, den "Wolf", damit war Hardenberg gemeint, zu beseitigen. Erzbischof Christoffer versuchte, in dem Streit zu vermitteln, aber er starb am 23. Januar 1558. Ihm folgte sein Bruder Georg, der sich ebenfalls, wenn auch vergeblich, um einen Ausgleich bemühte, immerhin bestand so die Chance, den theologischen Streit dadurch zu entschärfen, dass man ihn einfach verschleppte, aber da beging der Bremer Rat einen merkwürdigen Missgriff: Der bisherige Superindentent Probst war nämlich gestorben und sollte nun durch Tilemann Hesshusius ersetzt werden. Der aber war ein Mann, der durch seinen Lebenslauf charakterisiert werden kann: Geboren am 3. November 1527 in Wesel, studierte er an mehreren Universitäten, aber namentlich in Wittenberg und wurde dann Superintendent in Goslar, musste aber die Stadt 1556 verlassen. Die nächste Station war Rostock, wo er als Prediger den Bürgermeister in den Bann tat, was ebenfalls zu seiner Absetzung führte. Nach einem erneuten Aufenthalt in Wittenberg, wurde er 1558 Professor in Heidelberg und Superintendnt für die Pfalz, aber schon 1559 wieder abgesetzt. Darauf folgte die Berufung nach Bremen, wo er natürlich sofort mit Hardenberg in Streit geriet, wobei er den Rat vor die Wahl stellte, entweder den Domprediger aus der Stadt zu weisen oder auf seine Dienste zu verzichten. Hardenberg behauptete sich aber und Hesshusius musste daraufhin erneut sein Bündel schnüren und ging 1560 nach Magdeburg. Dort ertrug man ihn bis 1562. Es folgte eine Professur in Jena, die er aber auch nicht halten konnte. Im Jahre 1574 wurde er Bischof des Samlandes (in Ostpreußen), ging aber als "Friedensstörer und Ketzer" seines Amtes verlustig und endete schließlich als Professor in Helmstedt, wo er am 25. 9. 1588 starb. Es ist klar, dass dieser Mann während seiner Anwesenheit in Bremen und auch danach nach Kräften Öl ins Feuer goss und gegen Hardenberg polemisierte, während der Erzbischof Georg den Domprediger stützte, weil seine Lehre nicht zu beanstanden sei. Im Übrigen handele es sich, so der Oberhirte, um eine Angelegenheit der Theologen und nicht der weltlichen Obrigkeit. In der Stadt spitzte sich der Streit bis zu einem Mordanschlag auf den Pastor Hardenberg zu, der so gezwungen wurde, sich zu verbergen. Überdies mischten sich weiter die Kreisstände ein, also die Nachbarn Bremens. Sie beschlossen, dass Hardenberg abgesetzt und aus dem nieder-sächsischen Kreis ausgewiesen werden solle. Daraufhin verließ der Domprediger im Jahre 1561 mit seiner Familie die Stadt. Er wurde anschließend Pfarrer in Rastede, später in Sengwarden und in Emden. Hardenberg starb am 18. Mai 1574. Schwarzwälder schreibt über Dom-Prediger: "Es wird immer schwer bleiben, ihn gerecht zu beurteilen. Gewiss hat er mancherlei Unruhe in Bremen verursacht, doch war er alles andere als ein Revolutionär und Weltverbesserer, eher ein Mann des Ausgleichs, dessen Zugeständnisse freilich eine Grenze am eigenen Gewissen finden und der deshalb mit einer rechthaberischen Orthodoxie in scharfen Konflikt geraten musste." (Schwarzwälder: Geschichte der freien Hansestadt Bremen, Bd. 1, S. 241) Neuer Superintendent wurde am 10. Oktober 1561 Simon Musäus, der früher Professor in Jena war und nun das übliche Regime aufrichtete, das für die lutherischen Orthodoxen typisch war. "Eine üble Gesinnungsschnüffelei setzte ein", schreibt Schwarzwälder (Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 1, S. 241), wobei der Superintendent auch auf die Entscheidungen des Rates Einfluss zu nehmen versuchte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Streit im Großen und Ganzen im Rahmen einer kirchlichen Auseinandersetzung gehalten, die Grenze wurde aber überschritten, als der "sitzende Rat" am 3. Januar 1562 in einer Erklärung, die am Rathaus angeschlagen und von allen Kanzeln verlesen wurde, Hardenberg zum Ketzer erklärte und verbot, seine Lehren heimlich oder öffentlich zu unterstützen. Das aber war nur das Vorspiel, denn es ging darum, den Bürgermeister Johann von Büren und seine Anhänger vom Amt auszuschließen, das sie verfassungsgemäß übernehmen sollten, es sei denn, dass sie sich an der Entscheidung über Religionsfragen nicht beteiligten. Von Büren, der auf der Seite Hardenbergs gestanden hatte, lehnte es ab, seine Befugnisse beschneiden zu lassen, war aber schließlich doch bereit, auf diese Kompetenz zu verzichten, wenn das Edikt vom 3. Januar 1562, also die Verketzerung Hardenbergs, zurück genommen würde. Das wollten aber die orthodoxen Lutheraner aber nicht zugestehen. Damit war ein Verfassungsstreit aufgebrochen, in den nun die Bürger direkt eingriffen und über einen Sprecher vor allem die Absetzung des Superintendenten Musäus und seiner Parteigänger forderten. Überdies sollte das Mandat vom 3. Januar 1562 abgeschafft und von Büren als Bürgermeister zugelassen werden. Der Rat sträubte sich für eine Weile, gab aber schließlich am 22. Januar 1562 nach, und von Büren nahm seinen Platz als Bürgermeister ein. Damit war der Konflikt aber nicht beendet, vielmehr verließen mehrere Bürgermeister und Ratsherren, sowie fünf Prediger und zahlreiche andere, insgesamt 150 Personen, die Stadt und gingen nach Oldenburg, Nienburg, Hamburg, Lübeck, Braunschweig und an andere Orte, wie sich die Gelegenheit bot. In Bremen blieb ein restlicher Rat mit Daniel von Büren, der die Stadt aber mit bemerkenswertem Geschick durch die interne und auswärtige Krise steuerte. Zunächst war es notwendig, im Innern die demokratischen Ansprüche derjenigen abzuwehren, die bislang nicht im Rat vertreten waren. Sie bildeten, wie schon einmal, einen Ausschuss von 14 Personen, der aber, wie ich vermute, dann geräuschlos unterging, jedenfalls erwähnt ihn Schwarzwälder nicht weiter. In den äußeren Beziehungen geriet Bremen zunächst in eine bedenkliche Isolation, die dazu führte, dass die Stadt aus der Hanse ausgeschlossen wurde. Daniel von Büren gelang es jedoch, Bremen heil durch die Klippen zu steuern, indem er sich beharrlich zur Augsburgischen Konfession, zum Katechismus Luthers, zur bremischen Kirchenordnung von 1534 und zum Frankfurter Rezess von 1558 bekannte, also auf die ideologischen Dokumente, auf welche sich die wichtigsten lutherischen Reichsstände zu diesem Zeitpunkt geeinigt hatten. Damit nahm er dem Streit die dogmatische Schärfe, so dass nur noch die Frage nach der politischen Ordnung Bremens blieb. Hier schuf Daniel von Büren insofern Fakten, als er am 20. und 28. Juli 1562 Nachwahlen zum Rat vornehmen ließ. Damit stellte sich die Frage nach der Legitimität der städtischen Regierung, die erst nach langen Verhandlungen am 3. März 1568 in Verden gelöst wurde: der neue Rat blieb nach dieser Regelung im Amt, während diejenigen Bürgermeister und Ratsherren, die ins Exil gegangen waren, als einfache Bürger in die Stadt zurückkehrten, sich aber erneut in das Gremium wählen lassen konnten, also die Chance hatten, den alten Rang wieder zu erlangen. Nur drei Mitglieder der Opposition blieben an ihren neuen Orten (zwei in Hamburg, einer in Braunschweig) - die anderen nahmen die Regelung an. Damit war der politische Konflikt beendet, nicht jedoch der theologische. Der neue Superintendent Marcus Calbe, der 1570 berufen wurde, versuchte es mit der Formel, dass Leib und Blut zwar nicht substantiell, wohl aber sakramentlich in den Realien des Abendmahls vorhanden sei, was der calvinistischen Ansicht sehr nahe kam und deshalb den heftigen Protest lutherischer Pastoren hervorrief, die sich lautstark und heftig äußerten, was dann den Rat veranlasste, drei Prediger abzusetzen und aus der Stadt zu weisen. Die Lutheraner gerieten also, auch wenn sie von Herzog Julius von Braunschweig unterstützt wurden, nach und nach ins Hintertreffen, während der Calvinismus immer weiter vordrang. |
1555 | Esenshamm: Eindeichung des Esenshammer Grodens (568 Jück = 284 Hektar) |
1555 | Kniphausen: Tido von Kniphausen führt in den Gemeinden Accum, Fedderwarden und Sengwarden die Reformierte Konfession ein, die bis heute in Accum erhalten blieb. |