|
Dr. Klaus Dede 1. Juni 1935 - 5. Mai 2018
|
-1932-1933- |
1932,
26. 2. |
Bremen:
"Karstadt"
eröffnete seine Pforten. Das Warenhaus hatte sechs
Stockwerke, acht Rolltreppen und fünf Aufzüge. Am 6.
Oktober 1944 wurde der Bau durch Bomben zerstört, aber bis
1952 wieder aufgebaut. |
1932,
10. 4. |
Bremen:
Die Kirche der Hohentorsge-meinde
wird eingeweiht. Grundstein-legung 25. August 1931. 1944 zerstört.
1966 wird die neue Hohentors-Kirche
eingeweiht. |
1932,
6. 7. |
Bremen:
Das Deutsche
Kolonial-Eh-renmal
wird eingeweiht. Der aus Klein-kern gemauerte zehn Meter hohe
Elefant von F. Behn
sorgt bis heute für Diskus-sionsstoff. Die Geschichte der
deutschen Kolonien ist ja keineswegs so harmon-ische und nett, wie
es die deutsch-nationale Propaganda gerne hätte - aber sie
ist seit 1916 spätestens abge-schlossen. |
1932,
11. 7. |
Bremen:
In der Stadt wird ein Luftschutz-Beirat gebildet. |
1932,
20. 7. |
Bremen:
Adolf Hitler spricht im Weser-stadion. |
1932,
30. 9. |
Bremerhaven/Wesermünde:
Streik der Maschinisten, Heizer und Matrosen in allen Reedereien.
Es geht um die Ab-wehr von Lohnkürzungen und die Strei-chung
von freien Tagen. Die Ausstände versickern im Laufe des
Novembers. Die Ergebnisse sind unterschiedlich. Gleichzeitig
streien bis zum 4. Novem-ber 1932 die Fischarbeiter und
Fischar-beiterinnen. |
1932 |
Bremerhaven:
Gründung des Wasser-sportvereins "Frohe Fahrt". |
1932,
8. 8. |
Blexen:
Vor Blexen wassert das Flug-boot DO X, das von Dornier eigentlich
für den Transatlantik-Verkehr gebaut worden war, sich aber
als zu schwer-fällig und zu langsam erwies. Die Maschine
hatte eine Spannweite von 48 Metern, war 40,5 Meter lang und
entwickelte eine Reisegeschwindigkeit von 210 km/h. Angetrieben
wurde das Boot von 12 Motoren. |
1932,
28. 5. |
Blexen:
Bei einer Demonstration der KPD
in Einswarden
schießt die Polizei. Es gibt 25 - 30 Verletzte. |
1932,
26. 7. |
Blexen:
1500 Anlieger protestieren ge-gen die Rauchschäden durch die
Metall-werke, nachdem 14 Pferde krepiert sind. Es wird ein
"Zweckverband gegen Rauchschäden an der Unterweser"
gegründet. |
1932 |
Nordenham:
Gründung der Gartengenos-senschaft"Blüh auf". Auf
5,4 Hektar Land entstehen 86 Parzellen. Bis heute einer der
aktivsten Kolonien dieser Art weit und breit. |
1932,
10. 4. |
Sillens:
Der Sozialdemokrat Martin Pauls
wird auf offener Straße von einem SA-Mann
erschossen. Er war das erste Op-fer des Naziterrors, was auch so
ver-standen wurde. Seine Beerdigung ge-staltete sich deshalb zu
einer letzten Demonstration der alten Sozialdemokra-tie
in Nordenham.
Nach der Befreiung pflegte der Ortsverein Einswarden
der SPD in
jedem Jahr einen Kranz auf dem Grab von Martin Pauls
niederzulegen, eine Übung, die seit einigen Jahrzehnten
eingestellt worden ist. |
1932,
2. Mai |
Rodenkirchen:
Der Führer der NSDAP,
Adolf Hitler,
spricht in der Reithalle. (Im Freistaat Oldenburg
versuchen NSDAP
und KPD
gemeinsam, durch einen Volksentscheid die Auflösung des
Land-tages und Neuwahlen durchzusetzen, was ihnen auch gelingt.
Die Folge ist, dass die Nazizeit in Oldenburg ein halbes Jahr
früher als im übrigen Reich beginnt. NSDAP
und KPD
waren sich zwar auch in Oldenburg im Prinzip spinnefeind, indes
einig in der Ablehnung der demo-kratischen Weimarer Republik. Die
Kommunisten wollten eine Nazi-Regie-rung in Kauf nehmen, weil sie
hofften, dass sie nach deren Scheitern selbst an die Macht kommen
würden. |
1932 |
Brake:
Niederdeutsche Bühne
gegrün-det. Mitbegründer ist der sächsische
Schriftsteller Karl Bunje. Sein Haupt-werk ist der "Etappenhaas" |
1932,
8. 8. |
Wilhelmshaven:
Die DO X,
geführt von Kapitän Christiansen,
landet auf der Jade. Das Wasserflugzeug konnte 72 Passagiere
aufnehmen und war für den Transatlantik-Verkehr bestimmt,
erwies sich jedoch als Fehlkonstruktion. |
|
-1933- |
1933 |
Bremen.
Das Schwimmbad in Horn wird eröffnet. |
1933,
25. 2. |
Bremen.
Die kommunistische "Arbei-ter-Zeitung"
wird zunächst für sechs Tage verboten. Am 2. März
1933 wird das Verbot "bis auf weiteres" verlängert. |
1933,
1. 3. |
Bremen:
Nach einer Kundgebung der "Eisernen Front" (einem
Zusammen-schluss der SPD
und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold)
schiessen SS-Män-ner
auf einige heimkehrende Reichsban-nerleute, von denen Johann
Lücke
am folgenden Tage stirbt. Er ist also das erste Opfer des
Nazi-Terrors in Bre-men. Gegen die Täter wird zwar ein
Verfahren eröffnet, aber später auf Grund eines
Amnestiegesetzes nieder-geschlagen. Allerdings erhielt der Mör-der
1952 eine geringe Strafe. |
1933,
1. 3. |
Bremen:
Kundgebung aller jüdischen Organisationen Bremens gegen die
Nazis. |
1933,
3. 3. |
Bremen:
Der Senat verbietet die sozial-demokratische "Bremer
Volkszeitung"
bis zum 9. März Die bremische
Regie-rung ist eigentlich gegen diese Maßnah-me, meint sich
aber dem Druck des Reichsinnenministers Frick fügen zu
müssen. |
1933,
6. 3. |
Bremen:
Die Nazis zwingen die Senato-ren der SPD
zum Rücktritt. Der Nazi Dr. Markert
wird "Polizei-Senator". |
1933,
7. 3. |
Bremen:
Die Beerdigung des Reichsban-ner-Mannes
Johann Lücke
auf dem Wal-ler Friedhof
wird zur letzten Demonstra-tion der SPD
und des Reichsbanners
in Bremen bis zur Befreiung im Jahre 1945. Hans Hackmann
vom Reichsbanner, Jo-sef Böhm
von der SPD und Albert Götze
als Vertreter der Freien Gewerkschaften
können noch einmal öffentlich sprechen, dann war
Schluss. Bis zum Verbot der SPD
waren nur noch interne Mitglieder-versammlungen zugelassen. |
1933,
8. 3. |
Bremen:
Volkshaus
und Volkszeitung
werden von Nazis durchsucht. |
1933,
10. 3. |
Bremen:
Die Bürgerschaft
beschließt (mit den Stimmen der SPD)
ihre Auflösung. Sie folgt damit dem Druck der NSDAP. |
1933,
16. 3. |
Bremen:
Der Rumpf-Senat Bremens
tritt zurück, hofft aber "geschäftsführend" bis
zu den Neuwahlen und der verfassungsmäßigen Neubildung
der Stadtregierung im Amt bleiben zu dürfen. |
1933,
18. 3. |
Bremen:
Die Nazis zwingen die restli-chen demokratischen Senatoren dazu,
ihre Ämter niederzulegen und bilden nun einen eigenen Senat
mit Dr. Markert
als Bürgermeister der Stadt. |
1933,
28. 3. |
Bremen:
In der Hansestadt werden Eiserne Front
und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
verboten. |
1933,
29. 3. |
Bremen:
Senator Laue
gründet eine "Zentralstelle zur Bekämpfung des
Bolschewismus". Die Behörde wird am 16. Juni 1933
aufgelöst. Ihre Aufgaben übernimmt die Gestapo.
Folterzentralen der Gestapo waren in Bremen das "Gosselhaus"
und in Bremerhaven ein Minensuchboot im Alten Hafen,
das als "Gespensterschiff"
bezeichnet wurde. |
1933,
31. 3. |
Bremen:
In der Hansestadt wird ein Kommissariat für Flugwachen, Luft-
und Gasschutz
eingerichtet. Ein Jahr später, am 15. März 1934,
entsteht ein staat-liches Luftamt in Bremen, das seit dem 25. Mai
1934 "Behörde für Luftschutz"
hieß. Damit beginnt die Aufrüstung in Bremen. |
1933,
18. 4. |
Bremen:
Die Nazis besetzen das Volks-haus.
Albert Götze,
Oskar Schulze,
Emil Sommer,
und andere werden in "Schutzhaft" genommen. Sie wurden später
wieder freigelassen, als sich die Beschuldigungen, die gegen sie
erhoben wurde, als haltlos erwiesen. Es handelte sich also
schlicht um Verleumdungen, die aber für die Täter
folgenlos blieben. Die Opfer mussten froh sein, wenn sie mit
einigen Monaten Freiheitsentzug und wahrscheinlich auch mit
einigen Prügeln davon kamen. Immerhin: Dass sie noch
freikamen, war möglich, als die Nazis sich ihrer Macht noch
nicht ganz sicher waren. Später kümmerte sich die
Gesta-po natürlich nicht mehr um "Beweise". |
1933,
20. 4. |
Bremen:
Über dem Volkshaus
weht die Hakenkreuzfahne
als Zeichen, dass die Nazis von dem Zentrum der Arbeiterbe-wegung
Besitz ergriffen hatten. |
1933,
29. 3. |
Bremen:
Der Senat beschließt, dass die bremischen
Behörden nicht mehr in "jüdischen"
Geschäften einkaufen dürfen. |
1933,
31. 3. |
Bremen:
In den "Mißler-Hallen"
rich-tet der Bremer
Senat ein Konzentra-tionslager ein, das unter die Obhut der SS
kam, in der sich der Nazi Otto Löb-lich
durch besondere Brutalität aus-zeichnete. In zwei Sälen
waren zunächst bis zu 170 Häftlinge untergebracht, die
sehr mangelhaft versorgt wurden. Die Brutalität des
Wachpersonals wurde vom Senat nicht gebilligt, Senator Laue
setzte deshalb durch, dass am 9. Mai die SS durch eine
Wachmannschaft der SA
ersetzt wurde. Diese war zunächst hu-maner, ging dann aber
ebenfalls zu bru-talen Misshandlungen der Gefangenen über.
Das KZ Missler
wurde am 11. September 1933 aufgelöst. Ein Teil der
Gefangenen wurde nach Langlütjen
II verlegt, das seit dem 1. September 1933 als KZ eingerichtet
war, ein anderer Teil kam auf einen Kahn in der Ochtum-mündung.
Dieses Lager ging dann als KZ "Ochtumsand"
in die Geschichte ein. Einige Häftlinge wurden dann auf Grund
der einzigen Amnestie, die Hitler
erließ, im November 1933 entlassen. Andere kamen zu
Weihnachten 1933 frei. Das KZ Ochtumsand
bestand bis zum Mai 1934, Das KZ Langlütjen II
wurde am 25. Juli 1934 aufgelöst. |
1933,
1. 4. |
Bremen:
Wie überall im Reich werden "jüdische"
Geschäfte und Praxen von der SA
boykottiert. Betroffen sind 62 Geschäfte sowie 13 Praxen von
Ärzten und Rechtsanwälten. 1933 gab es in Bremen 1438
Juden im
eigentlichen Sinne, dh. Menschen, die der mosai-schen Religion
angehörten. Nach der Definition der Nazis galten jedoch
solche Personen als Juden, die einen jüdischen
Vater und eine jüdische
Mutter hatten. Stammte jemand nur von einem jüdi-schen
Vater oder einer jüdischen
Mutter ab, handelte es sich um einen "Halb-juden", falls einer
der Großeltern jü-disch gewesen war, haben wir es mit
einem Vierteljuden zu tun und so weiter. Dabei war stets die
Religionszugehö-rigkeit maßgebend, denn die
"rassi-sche" Zuordnung war ja bei Toten nicht mehr möglich,
ganz abgesehen, dass sie sowieso unsinnig ist. Wenn also in der
Generation der Großeltern jemand zum Judentum übergetreten
war, wurde er automatisch zum "Rassejuden", ein Jude hingegen,
der sich gleichzeitig hatte taufen lassen, blieb nach Ansicht der
Nazis ein Jude. Dass dies alles nichts weiter als blühender
Blödsinn war, konnte auch 1933 jeder auf dem Wege des
Nachdenkens feststellen. Wenn das nicht geschah, dann aus
Grün-den, die mit der Ideologie nichts zu tun hatten, sehr
viel aber mit persönlichem Opportunismus und mit chemisch
reiner Raffgier. Am Judenboykott
wird deutlich, dass dem deutschen Volk bereits vor dem 1. April
1933 das moralische Rückgrat gebrochen war, jedoch nicht von
den Nazis, sondern von den Christen und Deutschnationalen, die
seit jeher mit großer Intensität die Hetze gegen die
Juden betrieben hatten. Diese Saat ging jetzt auf. |
1933,
22. 4. |
Bremen:
Der Senat erlässt ein "Vertre-tungsverbot"
für alle "nichtarischen" Rechtsanwälte. Die
jüdischen
Notare müssen sich in Zukunft "der Geschäfte
enthalten". |
1933,
22. 4. |
Bremen:
Auf dem Hohentorsplatz ver-brennen SA-Männer
schwarz-rot-gol-dene sowie rote Fahnen und Uniformen der "Eisernen
Front" und des "Roten Frontkämpferbundes". |
1933,
25. 4. |
Bremen.
Kundgebung der Deutschen Christen
im Casino mit Senator Heider,
NS-Kreisleiter Paul Wegener
und Pastor Weidemann,
der fordert, die Kirche von allem Jüdischen zu entlasten.
Dagegen sprechen sich am 28. April 1933 36 von den 51 bremischen
Pastoren aus. Für sie sollen Bibel und Bekenntnisschriften
die Grundlage der Kirche bleiben. |
1933,
1. 5. |
Bremen:
Tag der nationalen Arbeit.
Die Nazis haben den 1. Mai
zum Feiertag er-klärt, der überall im Reich mit Umzügen
und Reden begangen wird, an denen sich natürlich auch die
Kirchen beteiligen. Im Bremen
finden im Dom,
in der Liebfrau-enkirche
und in der Stephanikirche
Festgottesdienste statt. |
1933,
2. 5. |
Bremen:
"Gleichschaltung"
der Ge-werkschaften.
30 Gewerkschaftsfunk-tionäre werden festgenommen. 300
So-zialdemokraten und Kommunisten befin-den sich bereits in
Konzentrationslagern. |
1933,
4. 5. |
Bremen:
Die "NSBO"
(Nationalsozia-listische Betriebsorganisation) überneh-men
die Büros der Gewerkschaften. Die NSBO
existierten in Bremen
seit 1931, war aber nur eine Splitterorganisation, die Ende 1932
1500 Mitglieder hatte (gegen mehr als 44.000 in den
sozialistischen Gewerkschaften,
die zu dieser Zeit bereits durch die Wirt-schaftskrise
geschwächt waren) |
1933,
5. 5. |
Berlin:
Die Bürgermeister der drei Han-sestädte
halten Hitler
Vortrag über ihre Wünsche. Dabei entscheidet der
"Füh-rer", dass der Gauleiter Röver
"Reichsstatthalter" im Freistaat Ol-denburg
und in Bremen
wird. |
1933,
10. 5. |
Bremen.
Wie im ganzen Deutschen Reich werden auch in Bremen Bücher
ver-brannt.
Die Aktion fand auf einem Spielplatz an der Nordstraße
statt. An den Vorgang erinnert heute ein Gedenk-stein in der
Bürgermeister-Deichmann-Straße.
In den Bibliotheken wurden un-erwünschte Bücher in den
Jahren 1935 und 1936 ausgesondert. |
1933,
10. 5. |
Bremen:
Das Vermögen der SPD
in Höhe von 885.000 RM wird eingezogen. Die Verwaltung
übernimmt ein Treuhänder. In dem Frühjahr wird die
SPD bereits
von den neuen Machthabern mit großer Brutalität
verfolgt. Bei der Besetzung des Volkshauses
werden am 18. April bereits fünf Gewerkschafter "in
Schutzhaft" genommen, also in ein Konzentrationslager geschickt.
Verhaftet wurde ebenfalls der Reichstagsabgeord-nete und
Chefredakteuer der "Bremer Volkszeitung"
Alfred Faust.
Er wurde im KZ Mißler
von SA-Schlägern
übel misshandelt. Angesichts solcher Vor-gänge, die in
ähnlicher Weise überall im Reich stattfanden, ist es
umso unver-ständlicher, dass die Reichstagsfraktion der SPD
am 17. Mai 1933 in Berlin
der Regierungserklärung Hitlers
zustimmte. Damit billigte sie nicht nur den Austritt aus dem
Völkerbund, den "der Führer" bei dieser Gelegenheit
ankündigte und damit die daraus folgende Aufrüstung,
sondern auch den SA-Terror, dessen Opfer bereits die eigenen
Genossen wurden, und die Judenverfolgung. Wenn es in der
Geschichte einen Akt krie-cherischer kollektiver Verblödung
einer Partei gibt, dann haben wir ihn hier vor Augen, denn die
Abgeordneten der SPD
hätten
- damals
der Sitzung fernbleiben
- sich
der Stimme enthalten
- oder
dagegen votieren können,
aber
nein, sie sind gehorsam in der Kroll-Oper erschienen und stimmten
"geschlossen", wie Domarus
in seinem Sammelwerk vermerkt, der "Regier-ungserklärung"
Hitlers zu. (cf. Doma-rus:
Hitler, 1.
Halband S. 279). Und da-mit nicht genug: Am 19. Juni 1933
entblödete sich der Berliner Vorstand der SPD nicht, seine
jüdischen Genossen aus dem Gremium auszuschließen. Vor
allem der Beschluss vom 19. Juni 1933 lehrt, dass der
Antisemitismus, den die SPD offiziell ablehnte, tatsächlich
unter den Genossen Konsens war -und ich wundere mich, dass diese
in Oldenburg bis heute an dem "Ehrenbürger
Hinrichs"festhalten! Die Partei, die schon vor dem ersten
Weltkrieg auf die moralisch Rutschbahn geraten war, plumpste so
folgerichtig in den braunen Sumpf, aus dem sie sich bis heute
nicht völlig herausgearbeitet hat. Im Jahre 1933 wirkte die
Haltung der Parteispitze auf die übrigen Genossen im Reich
als Aufforderung, sich nunmehr den neuen Verhältnissen
bedingungslos anzu-schließen, was für die Älteren
bedeutete, dass sie sich in das Privat-leben, so weit das ging,
zurückzogen (aus dem sie nach dem Juli-Putsch im Jahre 1944
grausam hervorgeholt wur-den) und für die Jüngeren, dass
sie mitmarschierten, bis alles in Scherben fiel und bis dahin
möglichst kassierten. Dass der Exilvorstand eine andere
Haltung einnahm und sozusagen die anständige SPD
vertrat, sei hier ausdrücklich vermerkt, dennoch lehrt uns
der Vorgang, welchen Weg viele Sozialdemokraten, sobald sie,
getrennt von ihrer Partei, den eigenen Weg suchen mussten, dann
während der Naziherrschaft nahmen. Und ich wun-derte mich
weit nach der Befreiung, dass ich in der SPD
der Wesermarsch
und Oldenburgs
"Genossen" antraf, die sich zu vorgerückter Stunde und
bei steigendem Alkokolpegel immer noch als gesinnungsfeste Nazis
entpuppten, die dann ihren Antisemitismus auch nicht mehr
verbargen. So weit ich weiß, ist diese Hälfte der
Parteigeschichte nie geschrieben worden. |
1933,
16. 6. |
Bremen.
Gründung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo)
in Bremen. Der Vorläufer war die "Zentralstelle zur
Bekämpfung des Bolschewismus", die Polizeisenator Laue
am 29. März 1933 ins Leben gerufen hatte. Am 22. Dezember
1933 wurde die Gestapo
in Bremen (wie überall) dem "Reichsfüh-rer SS",
Heinrich Himmler
unterstellt. |
1933,
10. 5. |
Bremen:
Das Vermögen der SPD
in Höhe von 885.000 RM wird eingezogen. Die Verwaltung
übernimmt ein Treuhänder. In dem Frühjahr wird die
SPD bereits
von den neuen Machthabern mit großer Brutalität
verfolgt. Bei der Besetzung des Volkshauses
werden am 18. April bereits fünf Gewerkschafter "in
Schutzhaft" genommen, also in ein Konzentrationslager geschickt.
Verhaftet wurde ebenfalls der Reichstagsabgeord-nete und
Chefredakteuer der "Bremer Volkszeitung"
Alfred Faust.
Er wurde im KZ Mißler
von SA-Schlägern
übel misshandelt. |
1933,
12. 5. |
Bremen:
Polizei besetzt das Partei-sekretariat der SPD
sowie den Verlag und die Druckerei J. H. Schmalfeldt
und Co. Die Vorstandsmitglieder Kaisen,
Mester und
Böhm
werden festgenom-men. |
1933,
16. 6. |
Bremen.
Gründung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo)
in Bremen. Der Vorläufer war die "Zentralstelle zur
Bekämpfung des Bolschewismus", die Polizeisenator Laue
am 29. März 1933 ins Leben gerufen hatte. Am 22. Dezember
1933 wurde die Gestapo
in Bremen (wie überall) dem "Reichsfüh-rer SS",
Heinrich Himmler
unterstellt. |
1933,
6. 7. |
Bremen:
Der Senatskommissar für kirliche Angelegenheiten, Otto
Heider,
ernennt einen neuen Kirchenausschuss, der mehrheitlich aus
Deutschen Christen besteht. Der bisherige Kirchenausschuss und
Kirchentag waren bereits am 30. Jun 1933 aufgelöst worden. |
1933,
6. 7. |
Bremen.
Pastor Emil Felden
(St. Martini) wird seines Amtes enthoben. Felden
war Sozialdemokrat. |
1933,
18. 7. |
Bremen:
Der Senat ordnet an, dass in den Behörden alle Beamten,
Angestell-ten und Arbeiter mit "Heil Hitler" zu grüßen
haben. Wer das unterließ wurde seit dem 27. 7. mit einem
Disziplinar-verfahren bedroht. |
1933,
27. 7. |
Bremen
: Zwei
Mitglieder der Internatio-nalen Vereinigung der Bibelforscher
wer-den verhaftet, weil sie die Vertei-lung von Broschüren
vorbereitet hatten. Der Verein selbst war bereits am 30. Juli 1933
verboten worden. |
1933,
22. 8. |
Bremen:
Einweihung des Rehbrunnens
in den Wallanlagen. Der Schöpfer war Ernst Gorsemann. |
1933,
27. 9. |
Bremen.
Eingliederung der bremischen
Kirche in die evangelische Reichskirche, die nach dem
Führerprinzip gegliedert ist. Dagegen protestieren zwölf
Gemein-den unter Führung der Stephani-Ge-meinde
und der Gemeinde von St. Wille-hadi.
|
1933,
1. 10. |
Bremen:
SA-Männer
brechen in das jü-dische
Gemeindehaus am Buntentor-steinweg
ein und stehlen neben wert-vollen Kultgegenständen vor allem
die Mitgliederkartei. Die Polizei sieht untätig zu. |
1933,
25. 11. |
Bremen.
Der Autobahnbau
bei Bremen
beginnt. Am 25. Juli 1936 Einweihung der Strecke Hamburg-Bremen.
15. November 1962: Abschluss der Arbeiten am Bremer Kreuz.
Am 14. November 1968 wurde die seit dem Ende des Ersten
Weltkrieges
geplante "Hansa-Linie"
fertig. Am 21. November 1975 Eröffnung der Strecke
Bremen-Bremerhaven.
Die Daten machen sehr schön deutlich, dass der Autobahnbau,
eines der liebsten Objekte der Nazi-Propaganda, während der
sog. "Sys-temzeit" geplant und sogar zum Teil in Angriff
genommen, aber dann in der Nazizeit ausgeführt und dann nach
der Befreiung zu Ende geführt wurde. Die Motorisierung
Deutschlands ist also durchaus kein Verdienst der Regierung
Hitlers - auch an diesem Beispiel lässt sich sehr schön
deutlich machen, dass die Nazis nichts Konstruktives geleistet
haben, buchstäblich nichts. |
1933,
18. 7. |
Bremen:
SA-Männer
vertreiben jüdische
Viehhändler vom Schlachthof.
Die Ge-stapo
bezeichnet später allerdings die Aktion als "unerwünscht". |
1933,
22. 6. |
Bremen:
Nachdem die SPD
am 22. Juni auf Reichsebene verboten worden war, verhaftet die
bremische
Polizei zwanzig Sozialdemokraten, die meisten Abgeord-nete der
Bürgerschaft,
und verbringen sie in Konzentrationslager. |
1933 |
Bremen:
Die Straßenbahnlinie 7 wird bis Rablinghausen-Bakeweg
verlängert. 1965 stillgelegt. |
1933
- 1934 |
Bremen.
Die Katrepeler Siedlung ent-steht. Sie besteht aus 30
Nebener-werbssiedlungen. Eine davon bezieht Wilhelm Kaisen, von
1928 bis 1933 Senator und dann nach der Befreiung Bürgermeister
Bremens, der nach Smidt als der zweite Gründer der Freien
Han-sestadt bezeichnet werden kann. Heute befindet sich auf seinem
Hof die "Do-kumentationsstätte Wilhelm Kaisen". Übrigens
wird an dem Beispiel deutlich, wie die Nazis mit Sozialdemokraten
umgingen: Einerseits wurde Kaisen, wie wir gesehen haben, durchaus
verhaftet, damit er lernte, was ihm, im Falle wie-terer
Widersetzlichkeit blühen konnte, andererseits erhielt er
seine Nebener-werbstelle, die ihn zur Dankbarkeit gegen den
"Führer" und zum Schwei-gen verpflichtete - und wer
seine fünf Sinne noch beisammen hatte, hielt sich an diese
Spielregel. Ich werfe also we-der Kaisen noch irgend einem anderen
Sozialdemokraten vor, dass er sich duckte und schwieg, als sie mit
ihren Mitteln eh nichts ändern konnten. Als Tailleyrand
gefragt wurde, was er in der Zeit des "terreur" gemacht habe,
ant-wortete: "J’ai survécu!" Und auch das kann, wie
sich am Beispiel Kaisens lernen lässt, eine Tugend sein. |
1933,
7. 3. |
Vegesack:
Auf dem Polizeihaus wird neben der schwarz-roten Fahne, die
Hakenkreuzfahne
als Zeichen gehisst, dass die NSDAP
auch in dieser Stadt die "Macht ergriffen" hat. |
1933,
29. 3. |
Vegesack:
Bürgermeister Wittgenstein
wird beurlaubt. An seine Stelle tritt der Nazi Westphal.
|
1933,
20. 5. |
Wesermünde/Bremerhaven:
Der 5. Be-zirk des Arbeiter-Turn-und Sportbun-des, in dem auch die
Vereine aus We-sermünde und Bremerhaven organisiert sind,
löst sich unter dem Druck der NSDAP auf, um einer
"Gleichschal-tung" zu entgehen. Die Nazis hatten den
Sozialdemokaten vorher alle Mög-lichkeiten genommen, weiter
ihren Sport auszuüben. Die Vereine fassen dann, jeder für
sich, die entsprechenden Beschlüsse, so am 10. Juni 1933 die
Freie Turnerschaft Geestemünde, "da dem Verein durch die
Entziehung des Benutzungsrechts der Städtischen Turn-hallen
(Humboldtschule und Realschule) und des Städtischen
Sportplatzes jede Möglichkeit der sportlichen Betätigung
seiner Mitglieder genommen ist." ( Protokoll der letzten
Generalversamm-lung. Zitiert nach: Rudolf Herbig: Wirtschaft,
Arbeit, Streik, Aussperrung an der Unterweser, 1979, S. 274 ) |
1933,
28. 3. |
Wesermünde:
Oberbürgermeister Becké
wird beurlaubt. An seine Stelle tritt kommissarisch Julius
Lorenzen. |
1933,
15. 5. |
Oldenburg:
Gemeindereform im Freistaat Oldenburg.
Die bisherigen Ämter Butjadingen,
Brake und
Elsfleth
werden zu dem neuen Amt "Wesermarsch"
vereinigt, das durch die Gemeinden Jade
und Schweiburg
(bislang Amt Varel-Land)
und Altenesch
(bislang Demenhorst-Land) ergänzt wird. Aus den bis anhin
bestehenden 32 Gemein-den werden nur noch elf. Diese Reform wurde
nach der Befreiung durch das Gesetz vom 26. April 1948 faktisch
rückgängig gemacht, indem die bisherige Gemeinde
Butjadingen
mit dem Sitz in Burhave
wieder in die Kommunen Lang-warden,
Burhave und Stollhamm
zer-schlagen wurde. Die bisherige Gemeinde Abbehausen
zerfiel wieder in Abbe-hausen,
Esenshamm
und Seefeld,
die Gemeinde Jade
wurde in Jade
und Schweiburg
aufgeteilt, Rodenkirchen
verlor Schwei,
und zwischen Ovelgönne
und Moorriem
schob sich wieder die Gemeinde Oldenbrok.
Stedingen
glieder-te sich in Berne
und Altenesch.
Die Städte Elsfleth
und Brake
blieben unverändert, ebenso blieb es bei der im Jahre 1933
verfügten Vereinigung der Gemeinden Nordenham
und Blexen
unter dem Namen "Nordenham".
Landwür-den,
die einzige "überflüssige Gemein-de des Landes
Oldenburg",
blieb beste-hen. Statt der bisherigen elf Kommunen gab es in der
Wesermarsch nun deren 19. Insgesamt hat sich jedoch die "Reform
der Reform" nicht bewährt, zumal sie vor allem auf dem
Gebiete des Schulbaus zu Fehlinvestitionen führte (so
Oberkreisdirektor Rudolf Bernhardt
in: 50 Jahre Landkreis Wesermarsch
1933 - 1983, Oldenburg 1986, S. 32). Sie wurde deshalb durch die
Gesetze vom 13. Juni 1973 und 3. Juli 1973 wiederum rückgängig
gemacht. Wieder entstand aus den bisherigen Gemeinden Langwarden,
Burhave und
Stollhamm
die neue Kommune Butjadingen. Die Ge-meinde Abbehausen sowie
Teile der Gemeinde Esenshamm
kamen zu Nor-denham.
Das Atomkraftwerk
in Kleinen-siel,
das bislang zu Esenshamm
gehörte, wurde indes zur Gemeinde Stadland
ge-schlagen, die aus den Gemeinden Ro-denkirchen,
Schwei und
Seefeld
gebildet wurde. Jade und Schweiburg
firmierten in Zukunft unter dem gemeinsamen Namen Jade.
Ovelgönne
und Oldenbrok
wurden zur Gemeinde Ovelgönne
zu-sammengelegt, wobei sich Brake
bis zur Bundesstraße ausdehnte. Moorriem
ver-einigte der Gesetzgeber schließlich mit Elsfleth.
Altenesch
und Berne
blieben indes getrennt. Insgesamt besteht der Landkreis
Wesermarsch
seitdem aus zehn Städten und Gemeinden (unsinni-gerweise
macht das deutsche Gemein-derecht noch diesen Unterschied, statt
nur noch, wie das in den Niederlanden
seit langem geschieht, von "Gemein-den" zu sprechen.) Der
Landkreis Wesermarsch
blieb - trotz Bedenken - bestehen, verlor jedoch die Gemeinde
Landwürden bzw. Dedesdorf
sowie einige Gebietsstreifen auf dem rechten Weserufer
und die Insel Harriersand
gegenüber von Brake.
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1933 |
Stedingen:
In der Mündung der Ochtum
hat im September 1933 das KZ-Schiff "Ochtumsand"
festgemacht. Es dient bis Mai 1934 als örtliches
Konzentrationslager. |
1933,
30. 3. |
Wilhelmshaven:
Reichspräsident Hinden-burg
und Reichskanzler Hitler
werden zu Ehrenbürgern der Stadt Wilhelmshaven
ernennt. |
1933 |
Wilhelmshaven:
Die "Oberrealschule im Aufbau" (Gegründet 1906) wird in
"Dietrich-Eckart-Schule" umbenannt. |
1933,
1. 4. |
Rüstringen/Wilhelmshaven:
Boykott der jüdischen Geschäfte durch die SA. Betroffen
sind 35 Lokale. |
1933,
1. 5. |
Rüstringen.
In Heppens eröffnet der Or-gelbauer Alfred Führer seine
Werkstatt. Das Unternehmen entwickelt sich vor allem nach der
Befreiung zu einer der führenden Werkstätten des
Orgelbaus in Norddeutschland, deren Produkte auch in Washington
DC, Seattle und Québec zu finden sind. Bis 1983, als das
Unternehmen fünfzig Jahre bestand, konnte man auf mehrere
Hundert Orgelneubauten im Lande in und her zurückblicken.
Alfred Führer und sein Nachfolger Schild zeichnete sich in
ihren Arbeiten durch großen Respekt vor dem historischen
Bestand aus, den sie nicht, wie es vor ihrem Auftreten leider
ge-schah, vernichteten, sondern, wo immer möglich, erhielten
und notfalls ergänzten. |
1933,
1. 4. |
Jever:
Boykott der jüdischen
Geschäfte. Die Ortsgruppe der NSDAP
droht: "Kein Deutscher kauft mehr bei Juden.
An den Pranger alle Verräter." In der Stadt leben nur noch
100 Juden. Die anderen sind abgewandert, teils aus
wirtschaftlichen Gründen, teils aber auch, um der
antisemitischen Hetze zu entgehen, die in Jever schon seit langem
herrscht. |
1933,
1. 4. |
Esens:
Der Boykott jüdischer Geschäfte sollte "schlagartig"
um 10 Uhr ein-setzen. Rokahr:
"Im allgemeinen verlief die Aktion auch nach diesem Plan. Die
Esenser
Nazis waren jedoch schon frü-her aktiv geworden. Sie hatten
ein wirk-sameres Mittel gefunden, kaufwillige Esenser
Bürger am Betreten jüdischer Geschäfte zu hindern:
Am Mittwoch (also mehrere Tage vor dem geplanten Boykott-Termin d.
Verf.) wurden auf Anordnung der SS
sämtliche jüdischen
Geschäfte geschlossen.’ Sie wurden nicht für immer
geschlossen ..." (Gerd Rokahr:
Die Juden
in Esens. 1994, S. 177) Das ist ein bemerkenswerter Vorgang. Hatte
die NSDAP
in Esens die Befürchtung, dass sich in der Bevöl-kerung
Widerstand gegen den Boykott regen würde (den es gelegentlich
durchaus gab)? Rokahr
meint an anderer Stelle, "dass die Esenser
Juden tat-sächlich weitgehend integriert waren und am
geselligen Leben in ihrer Heimatstadt teilnahmen, ist vielfach
belegt." (Gerd Rokahr:
Die Juden in Esens. 1994, S. 164) Und stellt dann weiter fest:
"Die Fremdheit zwischen jüdischen
und nichtjüdischen Deutschen war in der Weimarer Zeit
weitgehend verschwunden. Juden und Christen waren nicht mehr zu
unterscheiden - die Gegensätze mussten von den Antisemiten
erst bewusst wieder aufge-baut werden." (Gerd Rokahr:
Die Juden in Esens. 1994, S.165) In der Tat gab es in Esens wohl
keine Figur wie Dr. Hempel
in Jever.
Wenn Rokahr
mit seinen Feststellungen recht hat, dann wird verständlich,
dass die Nazis sich am 1. April 1933 nicht auf den "spon-tanen
Beifall" der "Volksgenossen" verlassen wollten und dass hier
nicht, wie sonst, die SA
tätig wurde, sondern die SS - was das bedeutete, hatte man
ja den Zeitungen entnehmen können. Im übrigen scheint -
unter dem Druck der Nazi-Propaganda - auch in Esens in den
nächsten Jahren die Stimmung gekippt zu sein. Die
Ausplünderung der jüdischen
Geschäftsleute - 1935 sollen es noch 24 gewesen sein -
wurde mit der üblichen Häme betrieben, und als der
Viehhändler Karl Wolff begraben wurde, "mussten die
Angehörigen auf dem jüdischen
Friedhof aus der neu-gierigen Menge heraus hören: "In
dieses Grab müssten alle Juden rein!" (Gerd Rokahr:
Die Juden in Esens. 1994, S.183) Man wusste also, worauf die
Ju-denhetze hinauslief - und billigte es. Im übrigen habe
ich den Verdacht, dass Rokahr in seiner Darstellung allzu
gutgläubig die nachträglichen Erzählun-gen der
Christen und Deutschnationalen referiert, die natürlich nach
der Befreiung ihre antisemitischen Ressenti-ments leugneten.
Selbst wenn in Esens die antisemitische Hetze während der
Weimarer Republik geschwiegen haben sollte, so wären die
Wirkungen der 2000-jährigen christlichen Judenfeind-schaft so
schnell nicht verschwunden. Und wenn es so gewesen wäre, wie
Rokahr schreibt, wären die Ressenti-ments gegen die Juden
nicht so schnell, innerhalb von zwei Jahren, wieder aufgeflammt -
nein, Esens war ganz sicher keine Insel der Seligen, schon gar
nicht für die Juden. Damit sollen die Verdienste Rokahrs in
keiner Weise geschmälert werden, aber man sollte dabei auch
nicht die Widerstände ver-gessen, auf die er stieß und
die doch nur letzte Ausläufer jener antisemitischen
Grundstimmung waren, die hier, wie überall herrschte, nur
dass in Esens ein Rokahr wenigstens nachträglich so et-was
wie Gerechtigkeit eintrat. |
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