Dr. Klaus Dede
1. Juni 1935 - 5. Mai 2018

-1935-1936-

1935 Bremen: Jüdische Geschäfte werden vom Bremer Freimarkt ausgeschlossen. Der Boykott jüdischer Geschäfte, im Jahre 1933 noch auf einen Tag begrenzt, wird nun zur Routine. Offensichtlich geht es darum, den Juden die Existenzgrund-lage zu entziehen und sie von dem gesellschaftlichen Leben zu isolieren, um sie später umso leichter deportieren und ermorden zu können. Aber selbst wenn man unterstellt, dass man die Konsequenzen nicht hätte ahnen können, so war das, was 1934 real geschah eigentlich empörend genug. So gab Robert Tretow, Kreispropaganda-Leiter der NSDAP, die Broschüre "...auch Dich geht es an!" heraus, in der die jü-dischen Geschäfte sowie die Praxen jü-discher Ärzte und Anwälte aufgelistet sind, um Kunden abzuschrecken. Weite-re Maßnahmen: 1936 kündigt das Kauf-haus Bamberger den "Totalausver-kauf" der Ware an. Das Gebäude wird 1939 zwangsweise versteigert. Juden durften öffentliche Einrichtungen, etwa Badeanstalten, nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr benutzen. An man-chen Geschäften und Lokalen hing das Schild "Juden unerwünscht."Seit dem 2. Juli 1937 waren jüdische Kinder von den Gemeinschaftsveranstaltungen aus-geschlossen. Die Schülerinnen und Schüler mosaischen Glaubens wurden im übrigen von HJ-Funktionären und nicht zuletzt auch von manchen Lehrern schikaniert. Seit dem Juli 1938 erhielten sie eine besondere Kennkarte und seit August 1938 mussten sie zusätzlich die Vornamen Israel oder Sara annehmen, um als Juden kenntlich zu sein. Aus-landsreisen waren für Juden seit 1936 kontingentiert. Im April 1938 wurde das Eigentum von Jude erfasst, offensichtlich um die spätere Enteignung vorzuberei-ten. Im Oktober 1938 wurden schließlich 80 Juden, die aus Polen gekommen waren, gewaltsam von Bremen aus über die Grenze gebracht.
1935 Bremen. Mit dem Bau der Siedlung Grol-land wird begonnen.
1935 Bremen: Der Flughafen erhält ein massi-ves Abfertigungsgebäude. Die bisherigen Baracken verchwinden.
1935, Mai Bremen. Hitler nimt an der Probefahrt der "Scharnhorst" teil, die für den Li-niendienst nach Ostasien gebaut worden war.
1935, 13. 10. Bremen: Das "Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges" auf der Altmannshöhe wird eingeweiht. Am 29. Mai 1936 fügt Ernst Gorsemann die Plastik "Mutter und Kinder" hinzu. Das Bauwerk samt Plastik werden im zweiten Weltkrieg beschädigt, aber nach der Befreiung wieder hergestellt. Drei Namen von Nazis wurden entfernt.
1935 Bremerhaven: Die Fischauktionen im Alten Hafen werden eingestellt.
1935 Wesermünde: In Leherheide werden die ersten 42 Häuser gebaut. Sie sind für Angestellte des Norddeutschen Lloyd bestimmt.
1935 Wesermünde. In die Polizei-Kaserne (bis 1918 Kaserne der III. Matrosen-Artillerie-Abteilung) ziehen die ersten Soldaten der Wehrmacht ein.
1935, 5. l0. Wesermünde. Die Marineschule nimmt ihren Dienstbetrieb auf. Sie entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Tecklen-burg Werft. Ausgebildet wurde hier das Maschinenpersonal der Mannschafts-dienstgrade. Die Marineschule wurde am 7. Mai 1945 einem amerikanischen Ad-miral übergeben
1935, 17. 6. Nordenham. "Weserflug"pachtet das Gelände der bisherigen Frerichswerft, um hier Wasserflugzeuge zu bauen. Es entsteht in der Folge ein Werk, das unter vielen Firmenbezeichnungen bis heute besteht.
1935, 10. 12. Nordenham. Die "Weserflug" nimmt auf dem Gelände der stillgelegten "Fre-richswerft" in Einswarden die Flug-zeugproduktion auf. Das Werk beschäf-tigte während des Krieges bis zu 6000 Menschen, darunter eine unbekannte Zahl von Zwangsarbeitern, für die im Stadtgelände eine ganze Anzahl Barak-kenlagern errichtet wurden, darunter "Haverkiel", das ein besonderes Nachleben hatte: Nach der Befreiung wurde das Lager zunächst von kana-dischen amerikanischen Soldaten ge-nutzt, danach wurden die Baracken zu Wohnungen umgebaut, in denen diejeni-gen untergebracht wurden, die sonst keinen Raum fanden. Um 1960 wurde das Elendsquartier abgerissen.
1935 Lemwerder. Die Yacht- und Bootswerft F. R. Lürssen KG richtet in Lemwerder einen Zweigbetrieb ein. Im Jahre 1943 wird der Platz bombardiert, aber 1946 liefert die Werft wieder den ersten Fischkutter ab.
1935, 13. 2. Lemwerder. Reichsminister Göring be-fiehlt, zwischen Lemwerder und Alten-esch einen Flugplatz von 900 Metern Lände und 400 Metern Breite anzulegen. Der Ort bot sich an, weil es hier nicht nur einen Eisenbahnanschluss gab, son-dern auch eine Anlegestelle in der We-ser, von dem aus ein spezieller Prahm, der einzige Flugzeugträger Deutsch-lands, wie der Journalist Fritz Frerichs später witzelte, Baugruppen aus dem Werk Lemwerder je nach Bedarf nach Einswarden oder Bremen transportieren konnte. Ein solcher Prahm ist seit 1937 in Betrieb.
1935 Varel. Gründung der Bootswerft Gerdes im Vareler Hafen
1935 Wilhelmshaven: Marine- und Kolonial-museum eingeweiht. 1962 als Küsten- und Schiffahrtsmuseum neu eröffnet.
1935 Wilhelmshaven. Signalturm an der Drit-ten Einfahrt. Er wird 1988 unter Denk-malsschutz gestellt.
1935 Wilhelmshaven: Eindeichung des Heppenser Grodens. Baubeginn der IV. Einfahrt.
1935, 9. 9. Rüstringen: Clemens August Graf von Galen, Bischof von Münster, besucht die katholischen Kirchengemeinden in Rüst-ringen und Wilhelmshaven. Die Kath-olische Kirche wurde zu dieser Zeit von den Nazi-Behörden bereits so schika-niert, dass man von Verfolgung sprechen kann, wobei sich der letzte Bürger-meister von Rüstringen. Dr. Nutzhorn, in besonders übler Weise auszeichnete. So beschmierten im September 1934 HJ-Führer das Jugendheim der St. Willehad-Gemeinde mit Sprüchen wie: "JUNG-KATH-FRONT VERRECKE". Das sollte offensichtlich an das Schlagwort: "JUDA VERRECKE" erinnern und machte damit deutlich, welche Absicht dahinter stand. Auch an offiziellen Maß-nahmen fehlte es nicht. So beschwerte sich Dr. Nutzhorn am 12. August 1935 bei Pastor Fortmann, dass sich der Katholische Arbeiterverein und der katholische Jungfrauenverein noch nicht selbst aufgelöst hätten und setzte nunmehr eine Frist bis zum 23. August 1935. Bis dahin sollte das Versäumte nachgeholt werden. Aus einer hand-schriftlichen Notiz ergibt sich, dass der Pfarrer es damals ablehnte, die Gruppen selbst aufzulösen - im Gegenteil: Der Katholische Arbeiterverein warb gerade in dieser Situation neue Mitglieder, was ihm allerdings nichts nutzte. Aus heuti-ger Sicht ist es unverständlich, wie die katholische Kirche - und damit auch die Katholiken in Deutschlands - trotz der illoyalen Haltung der Nazis deren Krieg bis zum Ende unterstützen konnten. Ein Beispiel: Am 23. Februar 1939 über-fielen Nazis in Wilhelmshaven zwei ka-tholische Jungen, die sich etwa 150 Meter von ihrem Jugendheim entfernt hatten, und schlugen sie so zusammen, dass wir heute von Körperverletzung reden würden. Und am 11. September fiel der erste katholische Pfadfinder von St. Marien. Er hieß Adolf Ickinger und starb für "Führer Volk und Reich", also für ein "Vaterland", in dem, nach Ansicht der Nazis, für die katholische Kirche offensichtlich kein Platz mehr vorgesehen war. Die Opposition gegen die Nazi-Ideologie im katholischen Kir-chenvolk war im niederen Klerus allge-mein verbreitet, wurde aber dadurch gehemmt, dass der Episkopat, insbeson-dere der Vorsitzende der Fuldaer Bi-schofskonferenz, Kardinal Bertram, die Kollaboration mit den Nazis bis zum Ende und sogar darüber hinaus fortsetz-ten, was übrigens auch für den Vatikan gilt. Der Episkopat der Römischen Kirche und die Nazis waren sich einig in ihrer Feindschaft gegen Juden und Kommunisten, während der niedere Kle-rus und das Kirchenvolk selbst mit bei-den nichts zu tun hatte, wohl aber die negativen Konsequenzen der Nazi-Poli-tik und vor allem die üblen Folgen der völkischen Propaganda, die auch gegen die christliche Religion gerichtet war, unmittelbar erlebten. Sie mussten sich damit auseinandersetzen und taten das auch, wenn auch ohne Erfolg.

-1936-

1936-1939 Bremen. Bau der "Westbrücke" (Adolf-Hitler-Brücke) Die Einweihung erfolgte am 1. Juli 1939. Sie wurde in der Nacht vom 21. zum 22. März 1945 bechädigt und dann am 30. März 1945 durch Bomben vollends zerstört. Die Reste der alten Brücke wurden 1966 abgebrochen. Die heutige "Stephani-brücke" wurde von 1966 bis 1968 ge-baut.
1936 Bremen: Der Ingenieur Heinrich Focke stellt in Bremen den ersten funktions-fähigen Hubschrauber vor. Er bedient sich bei den Erprobungen eines Wind-kanals, der erhalten blieb und 2005 als technisches Museumstück erneut öffentlich vorgestellt wurde.
1936 Bremen: Bau des Blumenthaler Hafens. Er dient dem örtlichen Umschlag und nimmt außerdem Sportyachten auf.
1936, 7. 5. Bremen. Die jüdische Gemeinde legt ihren letzten Jahresbericht vor. Die Gruppe hat noch 216 Mitglieder.
1936, Sept. Bremen. Der Kaufmann Julius Bamberger büßt in diesem Monat auch sein Haus ein. Er war Inhaber eines Kaufhauses, das 1933 acht Millionen Goldmark Umsatz erzielte. Bamberger wurde dann in jahrelangen Schikanen systematisch ausgeplündert, zeitweilig auch in Haft gehalten, aus der er sich loskaufen musste. Schließlich konnte Bamberger ins Ausland fliehen. Seine Frau blieb in Deutschland zurück und beging 1939 Selbstmord. Sein Name steht hier als Beispiel für zahlreiche andere Schicksale dieser Art, die nicht aufgeführt werden können.
1936, 11. 10. Bremen: Einweihung des "Denkmals für die Gefallenen der Division Gerstenberg und des Freicorps Caspari" bei der Liebfrauen Kirche. Die Figur von Her-bert Kubica steht heute in den Wallan-lagen zwischen Polizeihaus und Thea-terberg.
1936, 29. 7. Bremen: An die AG Weser gehen die ersten Aufträge der Kriegsmarine zum Bau von U-Booten. Die Werft hatte bereits im Ersten Weltkrieg Tauchboote für die Kaiserliche Marine gebaut. Nach der Ablieferung der "Bremen IV" kamen waren keine neuen Aufträge mehr hereingekommen. Nun bot die Aufrüs-tung aber ungeahnte Möglichkeiten. Die AG-Weser baute in der Folgezeit Schiffe und Boote für die Kriegsmarine und war im Jahre 1939 bereits mit 1200 Beschäf-tigten der größte Bremer Betrieb. Dabei wurde die Werft auf mit dem Bau von zwei Schlachtschiffen betraut, die auf die "Bismarck" und "Tirpitz" folgen sollten, aber hier kam man über die Kiellegung für eine der beiden Einheiten nicht hinaus. Man war auch ausreichend mit anderen Aufträgen beschäftigt. So arbeiteten 1943 etwa 20.000 Menschen auf der AG Weser, darunter etwa 5000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Ab September 1944 gehörten auch 1500 KZ-Häftlinge zur Belegschaft.
1936 Bremen. In Horn entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Rickmers-Villa der Botanische Garten mit dem Rhodo-dendron-Park
1936-1945 Bremen: In Woltmershausen entsteht die nationalsozialistische "Wohnungsfür-sorgeanstalt" am Warturmer Platz. Es handelt sich um eine geschlossene Einrichtung für sog. "Gemeinschafts-fremde", die hier zwangsweise zur "Erziehung" eingewiesen werden soll-ten, also um eine Art Konzentrations-lager, diesmal mitten in der Stadt.
1936, 2. 10. Wesermünde: Einweihung des Busse-denkmals an der Geeste. Es befindet sich an der Stelle, von der aus die "Sagitta" 1885 zu ihrer ersten Fahrt auslief. Der preussische Ministerprä-sidenten Hermann Göring, der am gleichen Tage zum Ehrenbürger der Stadt Wesermünde ernannt wurde, legte bei dieser Gelegenheit allerdings vor allem den Grundstein für ein Ehrenmal, das den deutschen Hochseefischern gewidmet sein sollte. Es wurde jedoch nie gebaut. Dem "Reichsmarschall" hat die Stadtverordneten-Versammlung von Bremerhaven am 20. Juni 1949 die Ehrenbürgerwürde wieder entzogen.
1936 Brake: Die Stadt wird Marine-Garnison (Einweihung der Kasernen im Jahre 1937)
1936/37 Lemwerder. Auf dem Flugplatz entste-hen die "Flughalle" und die "Große Montagehalle", die damals für den Bau von "Flugschiffen" gedacht waren, dann aber moderne Verkehrsflugzeuge aufnahmen.
1936 Lemwerder: Der Ortskern von Deichs-hausen wird abgerissen, um Platz für den Flugplatz des Flugzeugwerkes in Lemwerder zu schaffen. Eines der schönsten Dörfer Stedingens, so F.-Herbert Wenz, ist damit verschwunden.
1936-38 Lemwerder: Bau der Eschhofsiedlung. Der Siedlungsbau wurde in der Nazizeit sehr forciert, jedoch in aller Regel, um Wohnungen für die Arbeiter der Rüstungsindustrie zu schaffen, so auch in diesem Falle.
1936 Wilhelmshaven. Der letzte Ausbau des Hafens beginnt. Nun wird der Bau der "Vierten Einfahrt", die sog. "Raeder-Schleuse", so benannt nach dem dama-ligen Oberbefehlshaber der Kriegsmari-ne, in Angriff genommen, die für die Schlachtschiffe bestimmt war, die auf die "Bismarck" und "Tirpitz" folgen sollten. Die Planungen gehen auf das Jahre 1917 zurück. Damals hatte das Reichsmarineamt unter dem 28. Mai 1917 den Auftrag erteilt, ein solches Bauwerk zu planen. Bereits am 10. September 1917 lag ein erster Entwurf vor, der natürlich mit der Niederlage im Jahre 1918 obsolet wurde. Die Pla-nungen wurden aber, nur wenig abge-ändert, ab 1936 von der Kriegsmarine realisiert, jedoch stellte man in der Nazizeit nur eine Schleusenkammer fertig. Sie wurde am 7. November 1942 von Großadmiral Raeder feierlich eingeweiht. In der gleichen Zeit wurde der Bau einer neuen Nord-Werft in Anrgiff genommen, aber auch diese wurde nicht mehr fertiggestellt. Die halbfertige Einfahrt wurde am 27. Jan-uar 1949 von der britischen Besat-zungsmacht gesprengt. Als Wilhelms-haven im Jahre 1956 wieder Marine-Stützpunkt wurde, musste erst einmal aufgeräumt werden. Der eigentliche Wiederaufbau setzte am 17. Oktober 1956 ein. Am 3. Oktober 1964 konnte die IV. Einfahrt wieder in Betrieb genommen werden und zwar mit dem Betriebsstoftransporter Frankenland und zwei U-Bootjägern. Der im Vorhafen eingerichtete Marinestützpunkt wurde am 9. August 1968 fertig - damit war von der ersten Planung bis zur Fertigstellung ein halbes Jahrhundert verstrichen.
1936, 16. 6. Wilhelmshaven: Beerdigung von 31 Matrosen, die bei einem Gefecht ihres Schiffes mit einer spanischen Küsten-batterie gefallen waren. In gewissen Sinne die ersten Toten des II. Welt-krieges.
1936 Sande. Die Kriegsmarine erwirbt das gut Sanderbusch. Auf dem Gelände entsteht ab 1937 ein großes Lazarett. Heute Nordwest-Krankenhaus.
1936, 1. Mai Jever: Offizielle Eröffnung des Fliegerhorstes Upjever. Die Bauarbeiten begannen bereits 1934
1936 Hohenkirchen. Wasserturm von Fritz Höger. Der Bau ist 34 Meter hoch. Privatbesitz.